Es ist nach wie vor erstaunlich, wie konsequent die Produzenten diese anfangs kaum der Rede werten Reihe mit Fritz Wepper als Psychotherapeut Wendelin Winter neu erfunden haben. Im Vergleich zu den ersten Filmen ist "Mord in bester Gesellschaft" in den letzten zwei Jahren dank guter Drehbücher und professioneller Inszenierungen zu einer der besten Krimireihen der ARD geworden. Die 14. Episode, "Bitteres Erbe", bestätigt diese Entwicklung. Regie führte Peter Stauch, der auch schon "Die Täuschung" (Nummer 12) inszeniert hat; das Drehbuch stammte beide Male von Rainer Berg und Jens Jendrich. Die Geschichte erinnert an Psycho-Klassiker wie "Wiegenlied für eine Leiche": Nach der Ermordung eines Unternehmers fällt der Verdacht auf seine Tochter Anna. Tatsächlich taucht die Tatwaffe am Abend des Mordes in ihrer Wohnung auf. Die depressive junge Millionenerbin nimmt starke Psychopharmaka und kann sich nicht an die letzten Stunden erinnern.
Krimifans werden allzu bald ahnen, wer wirklich hinter dem Mord steckt, aber es ist ohnehin die Umsetzung, die den Reiz des Films ausmacht: weil sich Stauch vieler Krimi-Elemente aus den Sechzigern und Siebzigern bedient. Mitunter wirkt "Bitteres Erbe" wie eine Hommage an die Edgar-Wallace-Klassiker. Ein ästhetischer Genuss ist auch die Bildgestaltung, weil der Regisseur und sein Kameramann Felix Poplawsky im Zusammenspiel mit Kostüm und Ausstattung einem klaren Farbkonzept folgen. Das Büro des Geschäftsführers (Bernd Tauber) zum Beispiel ist inklusive Teppichboden, Mobiliar, den Gemälden an der Wand und dem Anzug des Mannes ganz in Blautönen gehalten, während die Wohnung der von Sinja Dieks sehr glaubwürdig als verängstigte junge Frau verkörperten Anna in einem fast überirdisch wirkenden Goldgelb erstrahlt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Ein großartiger Schauplatz ist auch das verlassene Haus der Familie am See, das dank der Kameraperspektive so bedrohlich wirkt wie das Bates-Motel aus "Psycho"; Bettlaken über den Möbeln, Spinnweben und ein entsprechendes Licht lassen es wie ein Spukhaus erscheinen, und selbstredend sorgt Stauch für einige veritable Schockmomente. Anna hat das Seegrundstück nie wieder besucht, weil sich ihre schwermütige Mutter hier einst das Leben genommen hat; selbstverständlich ist das Haus Schauplatz des fesselnden Finales. Die junge Frau, die panische Angst im Dunkeln hat, wird ein letztes Mal an ihre Grenzen geführt, und natürlich trägt die Tonspur ihren Teil dazu bei, dass sich die Zuschauer mit ihr erschrecken.
Interessant ist auch die Verwicklung von Winter in die Familiengeschichte. Annas Mutter war einst seine Patientin; er stellt bei der Tochter die gleichen Symptome fest. Dafür findet der Film ebenfalls passende Bilder: Die Fragen, die er der Tochter stellt, werden rückblendenartig von der Mutter beantwortet; Winter gibt sich bis heute eine Mitschuld an ihrem Tod. Das soll ihm mit Anna nicht noch mal passieren, weshalb er zunächst sogar die Pistole verschwinden lässt. Wichtig für die durchgehend hohe Spannung des Films ist auch die vielgestaltige Musik. Helmut Zerlett sorgt dafür, dass die entspannteren Momente bloß die Ruhe vor dem nächsten Sturm sind, treibt die Handlung an den richtigen Stellen mit hartem Rock voran und nimmt die 60er-Hommage auch musikalisch auf.
Einziges kleines Manko ist gelegentlich die Führung der Darsteller; selbst ein Profi wie Wepper agiert mitunter einen Tick zuviel. Und den Zwischenschnitten, die bei Dialogen die Reaktionen der Zuhörer zeigen, ist anzusehen, dass sie nicht während des Gesprächs, sondern anschließend gefilmt worden sind. Aber das sind Kleinigkeiten, die die Gesamtqualität kaum schmälern.