"Scheiß auf Reis" lautete der Arbeitstitel dieses Films. Das war der ARD vermutlich eine Spur zu ordinär, gibt die Antihaltung der Hauptfigur aber perfekt wieder: Titelheld Hans ist nicht nur ein Stinkstiefel, sondern auch ein rassistischer Kotzbrocken, und Michael Gwisdek gibt diesem durch und durch verbitterten Witwer nicht mal ansatzweise sympathische Züge. Prompt zieht der bösartige Alte, der mit seinem Sohn Joe (Stefan Murr) im tiefverschneiten Oberbayern auf einem Bauernhof lebt, ordentlich vom Leder, als eines Tages eine hübsche Asiatin vor der Tür steht: Joe hat sie während eines Thailandurlaubs kennen und lieben gelernt. Für Hans gibt es nun kein Halten mehr, er bezeichnet Lamai (Mai Duong Kieu) als Gesindel und Hure, aber da sein Sohn den Hof geerbt hat, wird er in den Wohnwagen verbannt. Und dann überschlagen sich die Ereignisse: In der Nacht feiert das Paar sein Wiedersehen leidenschaftlich, am nächsten Morgen liegt Joe mit einem zufriedenen Lächeln tot in seinem Bett. Umgehend versucht Hans, Lamai loszuwerden, aber das erweist sich als unmöglich: Das Paar hat in Thailand geheiratet, der Sohn hat seine Frau, die dank eines Kurses überraschend gut deutsch spricht, als Alleinerbin eingesetzt. Der Bauer genießt allerdings lebenslanges Wohnrecht, weshalb sich die beiden notgedrungen zusammenraufen müssen. Als auch noch Lamais Mutter und ihr Sohn auftauchen, fühlt sich Hans endgültig fremd im eigenen Haus; bis es dem Jungen gelingt, der harten Schale des Alten erste Risse zuzufügen.
Natürlich ist der Handlungskern vom fremdenfeindlichen Grantler, der sein gutes Herz hinter einer besonders rauen Schale verbirgt, nicht neu, und Michael Gwisdek spielt den bösen alten Mann, der sich zum freundlichen Großvater wandeln darf, nicht zum ersten Mal. Die Drehbuchidee stammt von Uli Brée ("Die Spätzünder", "Vorstadtweiber"), der sich als Wahltiroler viel vom österreichischen Humor abgeschaut hat und die Geschichte freigiebig mit schwarzem Humor und bösen Dialogen würzt – sollte man meinen. Allerdings hat er seinen Namen später zurückgezogen. Regisseur Sven Bohse hat auf der Basis von Brées Buch eine weitgehend neue Version geschrieben; der Kollege habe "den Ton, die meisten Figuren und das Setting dieser Geschichte gesetzt."
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Von außen lässt sich naturgemäß nicht sagen, wem welches Verdienst zukommt, und aus Zuschauersicht spielt das ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Fest steht zumindest, dass fast noch mehr Freude als die Läuterung des alten Bauern die Demaskierung der Einheimischen macht, die der Film hingebungsvoll als bigott und lüstern entlarvt: Dorfpolizist Rudi (Gerhard Wittmann), der auch einen Lebensmittelladen betreibt, bietet Lamai an, ihn bargeldlos zu bezahlen. Seine Frau schmachtet derweil den Pfarrer (Simon Schwarz) an. Der wiederum hat Joe nach Thailand begleitet, und das sicher nicht nur der Landschaft wegen. Von außen lässt sich naturgemäß nicht sagen,
Dem Fremdenhass von Hans zum Trotz ist der Tonfall des Films dank der Inszenierung Bohses (zuletzt "Hangover in Highheels" für Sat.1, davor "Weihnachten für Einsteiger", ARD) vorwiegend heiter, selbst wenn einige Szenen überhaupt nicht komisch sind; etwa, als die Dorfjugendlichen Lamai auflauern, um sie auf offener Straße zu vergewaltigen. Ausgerechnet Hans wird zum Retter in der Not, aber da ist sein Panzer ohnehin schon längst geknackt. Zwei Bilder genügen Bohse, um das Herz des Alten zu erweichen. Beide zeigen Jungs auf einem Schlitten: Der eine ist Lamais Sohn, der andere ist Hans, der einst als Kind mit seiner Mutter aus der DDR geflohen ist und sich nun daran erinnert, dass er sich damals in Bayern genauso fremd gefühlt hat.
Auch wenn Gwisdek, dem leider nur eine Slapstickszene vergönnt ist, den Film ohne Frage ganz allein tragen könnte, haben Brée und Bohse die Handlung um einige nicht minder reizvolle Nebenschauplätze ergänzt. Protagonistin des wichtigsten Seitenstrangs ist Wiebke, Joe erste Frau, die mit aller Macht die Scheidung und das Testament anfechten will; Marlene Morreis, im Vergleich zu ihrer Rolle als hochbegabte Polizistin in "Schwarzach 23" nicht wiederzuerkennen, verkörpert die Frau als krachlederne Erbschleicherin, die skrupellos ihre Reize einsetzt, um ihren Freund (Robert Palfrader) nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Darüber hinaus gibt es noch diverse Details, die für sich genommen nicht weiter wichtig scheinen, aber im Handlungsgefüge eine bedeutende Rolle spielen, darunter die thailändischen Abschiedsrituale, über die sich der Alte selbstredend mokiert, oder Joes verstaubten Oldtimer, den Hans gemeinsam mit dem Jungen wieder straßentauglich macht. Auch optisch ist "Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel" ein Genuss: Henner Besuchs Winterbilder sind von betörender Schönheit. Und der Schluss ist formidabel.