Berlin (epd)Die Bundesregierung drückt bei der Planung des deutschen Militäreinsatzes gegen die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien aufs Tempo. Die wöchentliche Sitzung des Bundeskabinetts werde von Mittwoch auf Dienstag vorverlegt, damit der Bundestag schon in der kommenden Woche beraten kann, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Während Abgeordnete der Koalitionsfraktionen den Einsatz als notwendig darstellten, äußerten Vertreter der Opposition Bedenken.
Sechs Aufklärungstornados
Den Plänen der Regierung zufolge soll Deutschland zur Unterstützung Frankreichs unter anderem sechs Aufklärungstornados für den Einsatz in Syrien bereitstellen. Eine deutsche Fregatte soll den französischen Flugzeugträger "Charles de Gaulle" schützen. Zudem sollen deutsche Flugzeuge bei der Luftbetankung helfen. Der Bundestag muss dem Einsatz zustimmen. Außenamtssprecher Martin Schäfer sagte, man werde zügig das Mandat erarbeiten, um bereits am Dienstag im Kabinett entscheiden zu können.
Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niels Annen, sagte bei radioeins des RBB, wenn Frankreich als "wichtigster Freund und Partner um Hilfe bittet", könne Deutschland nicht Nein sagen. Allerdings sollte der Bundestag auch noch einmal unterstreichen, dass es auf einen politischen Prozess zur Beilegung des Bürgerkrieges in Syrien ankomme. Der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Henning Otte (CDU), sagte, er erwarte im Parlament eine breite Zustimmung für den Einsatz. Die Anschläge von Paris seien Angriffe auf die offene Gesellschaftsordnung und ihre Werte gewesen, die auch in Deutschland gelten. "Dieser Einsatz dient dem Schutz auch unseres Landes", sagte Otte.
Keine überzeugende Rechtsgrundlage
Grünen-Politiker indes mahnten einen Gesamtkonzept an, das über den Militäreinsatz gegen den IS hinausreicht. Fraktionschef Anton Hofreiter sagte dem Fernsehsender n-tv, nicht nur der IS sei ein großes Problem in Syrien, sondern Machthaber Baschar al-Assad sei ein mindestens so großes Problem. Auch der Grünen-Politiker Jürgen Trittin vermisst ein "tragfähiges politisches Konzept für die Befriedung Syriens". Zudem liege bislang keine überzeugende Rechtsgrundlage vor, sagte Trittin dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Regierungssprecher Seibert indes sagte in Berlin, die Regierung sehe den Einsatz auf mehreren rechtlichen Grundlagen. Dazu gehörten das in der UN-Charta verbriefte Recht auf Selbstverteidigung, der Aufruf des UN-Sicherheitsrats, notwendige Maßnahmen zur Bekämpfung des IS zu ergreifen, und die Beistandspflicht unter den Mitgliedstaaten der EU, auf die sich Frankreich bei der Bitte um Unterstützung berufen hatte.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, allerdings stellte eine Verfassungsklage gegen ein etwaiges Syrien-Mandat in Aussicht. "Wir werden prüfen, inwiefern wir dieses Mandat vor dem Bundesverfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit anfechten können", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagsausgabe). Bartsch fügte hinzu: "Unabhängig davon lehnen wir den Einsatz grundsätzlich ab, weil jeder Zivilist im Bombenhagel potenziell zehn neue Attentäter generieren kann." Wer aus Afghanistan nichts gelernt habe, gehe genau diesen Weg.
Extremismus gestärkt
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann äußerte sich im "Spiegel" zu einer möglichen Verfassungsklage gelassen. "Ich habe keinen Zweifel, dass dieses Engagement auch vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen wird", sagte er.
Die ärztliche Friedensorganisation IPPNW äußerte scharfe Kritik an den Pläne der Regierung. Der Einsatz von Tornado-Jets sowie die Bereitstellung einer Fregatte würden Deutschland "noch tiefer in einen nicht gewinnbaren Krieg ziehen", erklärte die Organisation in Berlin: "Der Terror, der nicht zuletzt durch westliche Militärinterventionen entstanden ist, wird nicht durch denselben einzudämmen sein." Die Erfahrungen des vergangenen Jahrzehnts hätten gezeigt, dass militärische Interventionen den Extremismus gestärkt statt geschwächt hätten.