TV-Tipp: "37 Grad" (ZDF)

TV-Tipp: "37 Grad" (ZDF)
Anlässlich des Welt-Aids-Tages zeigt das ZDF das Porträt einer jungen Frau, die von Maike Conway zehn Jahre lang durch ihre Kindheit und Jugend begleitet worden ist. Die Autorin hat ihr Material zu drei Filmen verarbeitet. Den Auftakt bildet heute "Niemand darf es wissen. Corinne und ihr Geheimnis", ein Beitrag für "37 Grad", den Abschluss ein "Kleines Fernsehspiel" am 7. Dezember ("Corinnes Geheimnis", 0.25 Uhr); zwischendurch gibt es auch noch ein kurzes Stück im Kinderkanal ("stark!", 6.12., 8.35 Uhr).

Die Filme konzentriere sich voll und ganz auf ihre Protagonistin, und wenn man weiß, worum’s geht, ist die Häufung des Wortes Geheimnis in den Titeln völlig angebracht. Nicht mal Corinne selbst wusste als Kind, warum sie dauernd Tabletten nehmen musste: Sie ist HIV positiv. Die Pflegeeltern haben lange gerätselt, wie und wann sie dem Mädchen die Wahrheit offenbaren können. Der Moment war gekommen, als Corinne an einem Sponsorenlauf für an Aids erkrankte afrikanische Kinder teilnehmen wollte. Gleichzeitig haben sie ihr eingeschärft, dieses Geheimnis für sich zu behalten, weil sie fürchteten, dass die Eltern der Mitschüler hysterisch reagieren würden. Man kann sich kaum vorstellen, welchen enormen psychischen Kraftaufwand es für das Mädchen bedeutet haben muss, mit niemandem über die Krankheit reden zu dürfen. Entsprechend emotional wird es gegen Ende, als Corinne das Abitur geschafft hat und endlich einem engen Freund von der Krankheit berichten kann.

Trotzdem hat Conway ihren Film nicht unnötig dramatisiert. Sie zeigt Corinnes Leben so, wie es war: indem sie den Alltag filmt. Das aufgeweckte und fröhliche Mädchen ist ein echter Glücksfall für die Autorin. Offenbar hat sich ihr Aufwachsen nur unwesentlich vom Dasein anderer Kinder unterschieden; abgesehen natürlich von ihrem Geheimnis sowie den damit verbundenen Medikamenten und Arztbesuchen. Meist verstehen sich Pflegemutter und -tochter gut, aber es gibt auch Szenen, in denen sie nicht ein Herz und eine Seele sind. Das ist wichtig, weil man auf diese Weise erahnen kann, wie die Auseinandersetzungen abgelaufen sind, wenn es Corinne wieder mal satt hatte, ihren Freundinnen und Freunden eine unbeschwerte Fassade vorzuspielen. Sehr schön und stimmig ist auch die ungewöhnliche Ukulele-Musik, die gut zur Handlung passt.


Die Bilder der drei Produktionen sind zwar weitgehend identisch, aber man erfährt in den kürzeren Filmen noch weitere Details. Und natürlich sagt die unterschiedliche Machart viel über den jeweiligen Sendeplatz aus. Auch wenn es Conway gelungen ist, den Kommentar für den "37 Grad"-Beitrag aufs Nötigste zu beschränken, so zeigt sich doch eine grundsätzliche Schwäche dieses Formats: All das, was man sich im unkommentierten Kleinen Fernsehspiel durch das Betrachten der Bilder selbst erarbeiten muss, wird hier vorgekaut. "37 Grad" heißt, dem Fernsehen dabei zuzuschauen, wie es dem Publikum das Denken abnimmt. Auch im 15minütigen "stark!"-Beitrag gibt es zwar einen Kommentar, weil man Kindern naturgemäß mehr erklären muss, doch Corinne spricht ihn selbst. Hier spricht Corinne aus, was für sie das große Anliegen dieser drei Filme ist: Es ist völlig egal, ob jemand HIV hat; er ist dennoch ein Mensch wie jeder andere.