Einmal Opfer, immer Opfer?

epd-bild / Rolf Zöllner
Demonstration gegen Gewalt an Frauen in Berlin
Einmal Opfer, immer Opfer?
Die UN-Resolution gegen Gewalt an
Frauen und ihre Wirkung
Seit dem 31. Oktober 2000 steht ihnen offiziell Schutz zu: Die UN-Resolution 1325 ruft Kriegsparteien dazu auf, die Rechte von Frauen zu schützen. Doch heute wollen Frauen mehr als nur als Opfer anerkannt zu werden: mitbestimmen.

Frankfurt a.M. (epd)Syrien, Ruanda, Bosnien, Südsudan: Immer wieder werden Frauen im Krieg massenweise vergewaltigt - um den politischen Gegner zu schwächen, religiöse Gruppen zu verletzen oder schlicht Frauen zu demütigen. Um auf sexualisierte Kriegsverbrechen angemessen reagieren zu können, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat vor 15 Jahren am 31. Oktober 2000 die Resolution 1325. Darin wurden erstmals Konfliktparteien dazu aufgerufen, die Rechte von Frauen zu schützen.

Anderer Schutz für Frauen

"Wichtigster Erfolg der Resolution war, dass es dazu gekommen ist, sie zu verabschieden", sagt Karin Nordmeyer. Nordmeyer ist ehrenamtliche Vorsitzende der deutschen Sektion der UN-Frauen-Organisation. Die Resolution sollte helfen, Verbrechen wie die im Bosnien-Krieg zu vermeiden: Zumeist serbische oder bosnisch-serbische Soldaten vergewaltigten Zehntausende vor allem muslimische Bosnierinnen. Die Erkenntnis, dass Frauen anderen Schutz brauchen als Männern wurde deutlich und mehrheitsfähig. Seitdem könne sexualisierte Gewalt in Kriegs- und Nachkriegszeiten juristisch geahndet werden, fügt Nordmeyer hinzu.

Der eine Teil der Resolution legt fest, dass Vergewaltigungen als Kriegsverbrechen geahndet werden können; der andere, dass Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen, Konfliktschlichtung und Wiederaufbau mit einzubeziehen sind. "In der Resolution stehen alle wichtigen Forderungen, aber sie werden nicht umgesetzt", kritisiert Monika Hauser, Geschäftsführerin von Medica Mondiale. Die Frauenärztin setzt sich seit Anfang der 1990er Jahre mit Hilfe von Partner-Oganisationen in unter anderem in Afghanistan, Liberia und Bosnien-Herzegowina für traumatisierte Frauen ein. Nur sechs Prozent der gesamten UN-Hilfsgelder in den Jahren 2012 bis 2013 seien für Frauenbelange ausgegeben worden.

"Schlüsselloch-Blick"

Bei ihrer Kritik stützt sich Hauser auf ein Gutachten, das für den UN-Sicherheitsrat erstellt wurde. Für den Erfolg von Friedensbemühen sei es unerlässlich, so Hauser, Frauen als Akteurinnen einzusetzen und anzuerkennen. "Wenn wir nicht Frauen an den Friedensprozessen beteiligen, kommen die Interessen von Frauen schlichtweg nicht vor." Obwohl sich viele Frauen selbst aus der Opferrolle befreiten, Organisationen gründeten, um anderen Frauen zu helfen, nehme die Öffentlichkeit sie nur durch einen "Schlüsselloch-Blick auf ihre schrecklichen Erfahrungen" wahr. "Es ist mir wichtig, dass auch hierzulande endlich wahrgenommen wird, dass gerade Frauen sich in den letzten Jahrzehnten zu einem besonders mutigen Teil der Zivilgesellschaft entwickelt haben", schreibt sie in einem Leserbrief.

Ein Beispiel ist Bakira Hasecic. Die muslimische Bosnierin wurde selbst von serbischen Soldaten vergewaltigt. Seit 2003, als sie die Organisation "Frauen - Opfer des Krieges" gründete, zeichnet sie Zeugenaussagen von vergewaltigten Frauen auf und übermittelt sie an die Staatsanwaltschaft in Bosnien-Herzegowina. Diese Berichte waren unter anderem auch die juristischen Vorlagen für die Kriegsverbrechertribunale in Den Haag.

Hasecic sei einmal Opfer gewesen - heute sei sie Akteurin, betont Jasmina Prpic. Die Gründerin und Vorsitzende der deutschen Organisation "Anwältinnen ohne Grenzen" stammt selbst aus Bosnien-Herzegowina. "Die Frauen dort wollen nicht ihren Status "Opfer" beibehalten, sondern mitmischen", erklärt die Juristin. Die vergewaltigten Frauen von damals seien heute Richterinnen, Anwältinnen und Ärztinnen und säßen in hohen Positionen. "Sie wollen und sind vor allem fähig, eine gleichberechtigte Rolle in der bosnischen Nachkriegsgesellschaft zu übernehmen."

Eine wichtige Verantwortung sieht Hauser bei der UN selbst. "In ihren Strukturen müssen Demokratisierungsprozesse laufen, was bedeutet, eine verbindliche Frauenquote einzuführen und Frauen an den Entscheidungsprozessen zu beteiligen", fordert sie. "Wenn die UN selbst nicht das beherzigt, was sie vorschreibt, ist sie nicht glaubwürdig."