Trotz verschiedener Vorbilder aus der Welt der Reichen und Schönen: Die Kombination ältere Frau und jüngerer Mann ist noch immer eine Art Tabu und erregt zumindest Aufsehen; erst recht, wenn der Altersunterschied wie in diesem Film zwei Jahrzehnte beträgt. Die Handlung erinnert an einen anderen Freitagsfilm der ARD-Tochter Degeto: "Liebe verlernt man nicht" mit Katrin Sass und Stephan Luca (2009) erzählte im Grunde die gleiche Geschichte. "Für eine Nacht ... und immer?" spitzt die Gegensätze allerdings noch etwa zu, und das nicht nur, weil zwischen Juliane Köhler (Jahrgang 1965) und Marc Benjamin (1986) noch ein paar Jahre mehr liegen: Sie spielt Eva, Mitte vierzig und Wissenschaftlerin, er spielt Tom, Mitte zwanzig und Pokerprofi.
Das mag wie eine typische Drehbuchkombination klingen, sorgt aber für zusätzlichen Reiz, zumal Tom auf diese Weise bereits als unkonventioneller Typ charakterisiert ist. Außerdem ist die Affäre glaubwürdig eingefädelt: Die beiden lernen sich auf einer Zugfahrt nach Slowenien kennen und verbringen eine leidenschaftliche Hotelnacht miteinander. Am nächsten Morgen macht sich Eva ohne Abschied aus dem Staub, aber Tom überrascht sie bald darauf an ihrem Arbeitsplatz in München, wo sie ihn den Kollegen als Freund ihrer Tochter vorstellt. Sie einigen sich darauf, eine weitere Nacht miteinander zu verbringen und dann ihrer Wege zu gehen; aber Eva kann den jungen Mann, der davon träumt, nach Panama auszuwandern, nicht ziehen lassen.
Das von Regisseurin Sibylle Tafel bearbeitete Drehbuch (Brigitte Blobel, Robert Krause) konfrontiert das Paar mit diversen unangenehmen Situationen, in denen es sich rechtfertigen muss: etwa vor Evas ausgesprochen spießig reagierender Tochter (Alice Dwyer), vor ihrem Chef und bisherigen Geliebten (Dominic Raacke) oder vor einem arroganten Kollegen, der ihr später die Beförderung wegzuschnappen droht, weil der Vorstand der Firma ihren Lebenswandel für nicht bodenständig genug hält. Auch die erste Begegnung Evas mit Toms Eltern ist eine Szene, die Tafel unbarmherzig realistisch erzählt; die Dialoge sind teilweise ohnehin ziemlich gnadenlos.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Die Geschichte ist also durchaus glaubwürdig und seriös, doch wirklich sehenswert wird "Für eine Nacht ... und immer?" durch die beiden Hauptdarsteller. Vermutlich hätte nicht jede Schauspielerin diese Rolle angenommen, denn neben dem jungen Mann wirkt man als ältere Frau naturgemäß noch ein wenig älter, aber Juliane Kölhler geht ganz in der Figur auf. Ein Knüller ist allerdings der in München lebende Schweizer Marc Benjamin, ein hierzulande praktisch unbekannter Schauspieler, der bislang kleinere Nebenrollen gespielt hat und ein wirklich großartiges Debüt als Hauptdarsteller gibt. Er versieht seinen Tom mit genau der richtigen Mischung aus Unergründlichkeit, Melancholie und Coolness, um auf Frauen allen Alters anziehend zu wirken, und spielt die Rolle mit sparsamer Mimik; meist genügt die Andeutung einer Gefühlsregung, um zum Ausdruck zu bringen, was in dem junge Mann mit dem Pokerface vorgeht. Im Gegensatz zu talentierten und attraktiven jungen Schauspielerinnen, an denen es hierzulande wahrlich nicht mangelt, sieht es beim männlichen Nachwuchs nicht ganz so vielversprechend aus; mit dieser Leistung hat sich Benjamin in seiner Altersklasse ganz nach vor gespielt.
Einziges kleines Manko des Films ist der lange Handlungszeitraum: Die verschiedenen Trennungen und Wiedervereinigungen des Liebespaares erstrecken sich über insgesamt zehn Jahre, aber keiner der Figuren ist auch nur der Hauch von Alterung anzusehen.