«Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit»

«Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit»
Drei Fragen an Elmar Theveßen
zur Verantwortung der Medien in Krisenfällen
In Krisenfällen kann es sinnvoll sein, Informationen zurückzuhalten, um Menschen vor Ort nicht noch stärker in Gefahr zu bringen. Aber können Medien das in Zeiten von sozialen Medien überhaupt noch leisten?
19.11.2015
epd
Diemut Roether (epd-Gespräch)

Mainz (epd)Elmar Theveßen, der Leiter der ZDF-Hauptredaktion Aktuelles und stellvertretender Chefredakteur des Senders, spricht sich für eine zurückhaltende Berichterstattung aus - auch wenn man es damit wieder nicht allen Recht macht.

Keine Nachrichtensperre

epd: Hätte das ZDF am Dienstagabend, wenn die Sicherheitsbehörden darum gebeten hätten, über Erkenntnisse aus dem Umkreis des Stadions zurückhaltender berichtet, um eine Panik unter den Menschen dort zu verhindern?

Theveßen: Wir richten uns nach dem Deutschen Pressekodex. Demnach akzeptieren wir eine Nachrichtensperre grundsätzlich nicht. Es sei denn, Menschen würden an Leib und Leben durch die Berichterstattung gefährdet. Dies müssten aber die Behörden überzeugend darstellen. Die Entscheidung fällt dann der Chefredakteur.

epd: Glauben Sie, dass sich solche Informationen in Zeiten von Twitter und sozialen Medien ein paar Minuten zurückhalten lassen? Es ist klar, dass das nicht über Stunden funktionieren kann, aber so lange die Situation noch so unklar ist, könnte ja eine Überlegung sein, die Menschen nicht unnötig zu beunruhigen.

Theveßen: Tatsächlich ist dies ein wichtiger Aspekt unseres Handelns. Deshalb waren wir am Dienstagabend auch deutlich zurückhaltender als andere. Einige wilde Gerüchte haben es in die Massenmedien gebracht. Und wenn wir dann nicht darüber berichten, wird uns gern vorgeworfen, wir würden die Wahrheit zurückhalten. Das müssen wir ertragen. Sorgfalt geht vor Geschwindigkeit.

Helfen zu sortieren

epd: Es gab in den 90er Jahren, als die Reemtsma-Entführung lief, einen Schweigepakt, an den sich alle Redaktionen fast fünf Wochen lang gehalten haben. Glauben Sie, dass so etwas heutzutage noch möglich wäre?

Theveßen: Das gab es auch in jüngerer Zeit, zum Beispiel im Zusammenhang mit den Sahara-Geiseln. Auch über die Sauerlandzelle wussten ZDF, "Spiegel" und "Süddeutsche Zeitung" früh Bescheid und haben sich zurückgehalten. Aber selbst wenn Qualitätsmedien verantwortlich handeln, werden viele Informationen dennoch per Smartphone in die Welt geraten. Wir können dann nur helfen zu sortieren, was richtig und was falsch ist. Und wenn wir dabei Fehler machen, müssen wir sie schnell einräumen und korrigieren.