14.11., Vox, 20.15 Uhr: "In den Fängen der Justiz"
Die viereinhalbstündige Dokumentation zeigt anhand verschiedener Fälle, wie das deutsche Justizsystem funktioniert, wenn es einmal einen Tatverdächtigen in seinen Mühlen hat. Staatsanwälte und Richter stehen im Schulterschluss gegen den Angeklagten, Ermittler machen es sich mit frühzeitiger Festlegung auf einen Tatverdächtigen einfach. Das Gericht interpretiert Indizien, bewertet Zeugenaussagen je nach Bauchgefühl. Für die Beschuldigten ein oft aussichtsloser Kampf. Der Film stellt Menschen vor, die zu lebenslanger Haft verurteilt worden sind, obwohl es kein Motiv gab, keine Tatwaffe, keine klaren Beweise und kein Geständnis. Zum Beispiel Helmut Marquardt, der im vergangenen Sommer überraschend vom Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt begnadigt wurde; allerdings nur, weil der Rentner in der Haft vier zum Teil schwere Schlaganfälle erlitten hatte. Zehn Jahre lang hatte der mittlerweile 79-Jährige seine Unschuld beteuert. Doch jede Wiederaufnahme seines Verfahrens wurde abgelehnt. Jetzt ist er zwar draußen, aber immer noch der rechtskräftig verurteilte "Mörder von Lodersleben", der seinen Schwager Herbert S. aus Habgier getötet haben soll. Ein Motiv, an dem externe Ermittler zweifeln, ebenso wie an anderen Details des reinen Indizienprozesses. Rund ein Viertel aller Urteile ist nach Aussage von Experten in Deutschland fehlerhaft. Dennoch gelingt es nur einer Handvoll Menschen pro Jahr, eine Wiederaufnahme zu erstreiten. Eine besondere Rolle in allen vorgestellten Verfahren spielen die psychologischen Gutachter, deren Meinung für Richter oft ausschlaggebend ist. Auf welche fragwürdigen Methoden der Wahrheitsfindung dabei zurückgegriffen wird, illustrieren zwei aktuelle Fälle aus Deutschland und Österreich.
15.11., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Krieger made in Germany"
"Simon im Kampf gegen die Ukraine" lautet der Titelzusatz dieses Films von Brenda Weinel und Matthias Zuber. Das Duo erzählt die Geschichte von Simon, 23, geboren in Russland, aufgewachsen in Deutschland bei Adoptiveltern. Seit über einem halben Jahr kämpft er an der ostukrainischen Front auf der Seite der russischen Separatisten. Simon sucht Heimat und Anerkennung, die er nach Hauptschulabschluss und mehreren abgebrochenen Lehren in Deutschland nicht fand. "Ich bleibe bis zum Tod", sagt er kämpferisch und avanciert damit auf Facebook zum Helden, aber die Zweifel nagen an ihm. Simon würde gern nach Deutschland zurückkehren, aber fürchtet, als Mitglied einer terroristischen Vereinigung verhaftet zu werden. Simons Mutter und seine Freunde reagieren auf seine Entscheidung, in den Krieg zu ziehen, mit Verständnislosigkeit und Trauer.
16.11., ZDF, 20.15 Uhr: "Ein großer Aufbruch"
Die Konstellation denkbar schlicht, aber sie funktioniert immer wieder – vorausgesetzt, ein herausragender Regisseur kann mit einem exzellenten Drehbuch und großartigen Schauspielern arbeiten: Man versammele Menschen unterschiedlichen Alters, die einander in inniger Hassliebe zugetan sind, und setze ein paar Reizpunkte; prompt wird die Begegnung zum Tag der Abrechnung. "Ein großer Aufbruch" ist nicht der erste Film, den Matti Geschonneck unter diesen Voraussetzungen gedreht hat; "Silberhochzeit" und "Liebesjahre" folgten einem fast identischen Muster. Aber wenn nicht alles täuscht, wird ihm auch dieses Werk diverse Auszeichnungen bescheren: weil an dem Drama einfach alles stimmt. Keine Einstellung, kein Wort zuviel; ein Ensemble, das sich perfekt ergänzt; und schließlich eine Dramaturgie, die immer wieder für Überraschungen sorgt. Magnus Vattrodt erzählt die Geschichte einer Feier, die einen völlig anderen Verlauf nimmt, als sich der Gastgeber dies gedacht hat: Holm (Matthias Habich) ist unheilbar krank und lädt Familie und Freunde zu einem letzten gemeinsamen Abend in sein Landhaus am Chiemsee ein. Er will, dem Titel zum Trotz, Abschied nehmen. Und dann gerät die Veranstaltung völlig aus den Fugen; am Ende ist nicht nur Holms selbstzufriedenes Lebensfazit zerschmettert.
16.11., 3sat, 22.25 Uhr: "Digitale Nebenwirkungen"
Computer, Smartphones und Tablets sind fester Bestandteil unseres Lebens geworden. Die ständige Nutzung digitaler Medien ist selbstverständlich. Doch zu welchem Preis?
Kritische Stimmen werden laut: "Krankheitsbild Online-Sucht", "Google macht dumm", "Der Gebrauch des Internets verändert unser Gehirn". Digitale Medien sollen sogar einen krankhaften geistigen Abstieg im Alter begünstigen können. Der Film geht dieser Kritik in Gesprächen mit Internetkritikern und Experten aus Bereichen wie Hirnforschung, Verhaltenssüchte und dementiellen Erkrankungen nach, darunter allen voran Nicholas Carr, US-Amerikanischer Buchautor und Wirtschaftsjournalist ("Is Google Making us Stupid?") sowie Manfred Spitzer, der mit seinem Buch über "Digitale Demenz" weltweit für kontroverse Diskussionen gesorgt hat. Der bekannte Hirnforscher sieht vor allem im Bereich der Hirnentwicklung und bei Bildungsprozessen akute Nachteile als Folge des digitalen Lifestyles.
16.11., WDR Fernsehen, 22.00 Uhr: "Mut gegen Macht: Neonazis raus - Dortmund gehört uns"
In keiner anderen westdeutschen Stadt sind die Rechtsradikalen so laut wie in Dortmund. Ihre Aktionen richten sich längst nicht mehr nur gegen Flüchtlingsheime, sondern auch gegen Menschen, die Gesicht zeigen. Einer von ihnen ist Robert R. Ihn haben die Neonazis seit einiger Zeit im Visier: An seine Hauswand wurde ein Hakenkreuz gesprüht, in den sozialen Netzwerken wird ihm offen gedroht: "Wir kriegen Dich". Robert R. steht im Visier der Neonazis. Trotzdem betreibt der 52-Jährige auch weiterhin seinen Blog gegen die Rechtsradikalen. Die Aktionen, sagt er, seien für ihn erst recht ein Grund, weiterzumachen. Der Film aus der Reihe "die story" zeigt, wie sich engagierte Bürger und Aktivisten nicht mehr einschüchtern lassen und aktiv gegen die Neonazis vorgehen. Auch wenn sie sich bei ihrem Kampf gegen rechts oft allein gelassen fühlen von der Politik im Land. Auch Borussia Dortmund zeigt jetzt Flagge. Die Fan-Szene des Vereins ist von den Rechten so stark unterwandert wie bei keinem anderen deutschen Club. Der BVB setzt ein Zeichen und lädt Flüchtlinge ins Stadion ein, der Fanbeauftragte Daniel Lörcher fährt mit Fans nach Auschwitz, Spieler wie Neven Subotic besuchen Flüchtlingsheime. Die Botschaft soll eindeutig sein: "Wer rechte Parolen verbreitet, ist kein richtiger Borusse." Der Film ist Teil der vierteiligen Doku-Staffel "Mut gegen Macht" im WDR-Fernsehen (16. bis 19. November). Die Webseite www.mutgegenmacht.wdr.de bietet Zusatzinformationen und Links, vernetzt redaktionelle Angebote von WDR-Hörfunk und -Internet und ist Kommunikationsplattform für Kommentare, Fragen und Anregungen der Zuschauer. Morgen zeigt der Sender die Dokumentation "Die Mietrebellen". Der Film erzählt von dem aufreibenden Kampf gegen unbezahlbare Mieten und der Angst vor dem Verlust der Wohnung und der Nachbarschaft.
18.11., Arte, 21.35 Uhr: "Im Wartesaal des Krieges"
Der Dokumentarfilm beschreibt den Alltag in dem Wüstenort Twentynine Palms, der sich in unmittelbarer Nähe einer Militärbasis befindet. Regisseurin Lydie Wisshaupt-Claudel zeigt die Rückkehr von Soldaten aus dem Kampfeinsatz in eine vertraute und doch ungastliche Stadt, die den Heimkehrern als "Durchgangsschleuse" dient. Die Kamera begleitet die jungen Männer unauffällig in augenscheinlich banalen Situationen: beim Friseur, einem Essen mit Freunden oder einem Abend im Kreis der Familie. Hinter der Monotonie dieses gleichförmigen Daseins wird deutlich, wie schwer es den Soldaten fällt, wieder an einem Leben teilzunehmen, das ihnen völlig fremd geworden ist.
Die Front ist allgegenwärtig und wird durch jedes Gespräch, jede Landschaft und jedes Geräusch wieder präsent. Der Krieg hat eine innere Leere zurückgelassen, die letztlich alles beherrscht. Der Film zeigt die Marines nicht im Einsatz, sondern in ihrem Leben danach. Die Realität des Krieges wird spürbar, obwohl Kriegshandlungen weder erzählt noch gezeigt werden. Die Betroffenen werden in dem Film nicht befragt, sondern schlicht beobachtet, einfühlsam und ohne zu urteilen. Dabei wird ersichtlich, wie komplex die Situation dieser Soldaten ist; und wie tief ihre seelische Verletztheit.
19.11., 3sat, 20.15 Uhr: "Risiko Fracking"
48.000 Bohrungen wären nötig, um das deutsche Schiefergasvorkommen zu erschließen. Alle drei Kilometer ein Bohrloch, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern? Die Dokumentation "Risiko Fracking" durchleuchtet die Technologie anhand neuester wissenschaftlicher Forschungsergebnisse und erläutert die geopolitischen Interessen der Energieproduzenten. Animationen erklären das technische Verfahren und sein Potenzial.
Als besonders kritisch sehen Umweltverbände die geplante Unterscheidung zwischen der Ausbeutung von Erdgasvorkommen aus Schiefergestein und Kohleflözen einerseits und Erdöl- und Gasvorkommen aus Sandstein ("Tight Gas") andererseits. Die Methode, mit der Gas oder Öl aus dem Gestein gelöst werden, unterscheidet sich in beiden Fällen nicht. Beim "Tight Gas" muss zwar weniger giftige Frackflüssigkeit in den Boden gepresst werden, doch bei einem Störfall drohen auch hier schwere Schäden für das Grundwasser. Aber lohnt sich Fracking angesichts der sinkenden Öl- und Gaspreise überhaupt? Im Anschluss (21.00 Uhr) diskutiert Gert Scobel mit seinen Gästen über die Auswüchse der Rohstoffdiplomatie, das skandalöse Geschäft hinter den Kulissen, den aktuellen Stand politischer Maßnahmen und über konstruktive Lösungsmöglichkeiten.
19.11., NDR Fernsehen, 22.00 Uhr: "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut"
Schon der Titel ist ein Signal: Dieser Film ist anders. Trotzdem spricht er ein breites Publikum an, schließlich erzählt Autor Georg Lippert eine heitere Romanze, die Viviane Andereggen bei ihrem ersten Fernsehfilm erstaunlich unangestrengt umgesetzt hat. Das größte Kompliment gebührt ihr für die Führung des Titeldarstellers: Der junge Maximilian Ehrenreich ist offenbar ein Naturtalent. Mit seinen gerade mal zwölf Jahren trägt er diesen Film wie ein Großer. Dabei sind seine Dialoge nicht einfach, doch er besteht selbst eine Herausforderung meisterlich, an der sogar prominente Schauspieler oft scheitern: Simon führt als Erzähler durch die Handlung, und Ehrenreichs Text klingt kein bisschen vorgelesen oder auswendig gelernt. "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut" ist die klassische "Coming of Age"-Geschichte eines pfiffigen Jungen kurz vor der Pubertät, dessen Leben gewaltig aus den Fugen gerät, als seine Mutter (Lavinia Wilson) die Familie verlässt. Daraufhin besinnt sich Vater Frank (Florian Stetter) der jüdischen Traditionen. Er beginnt, ein konsequent religiöses Leben zu führen, und deshalb soll Simon rechtzeitig zur Bar Mitzwah seine Vorhaut verlieren. Der ist erst mal schockiert, aber dann verfliegt seine Furcht, denn er verliebt sich in die bezaubernde neue Rabbinerin.
19.11., MDR Fernsehen, 22.35 Uhr: "Mein Gott, ich bin homosexuell. Lesben und Schwule in der Kirche"
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Lässt sich gleichgeschlechtliche Liebe mit der Bibel und dem Glauben an Gott vereinbaren oder nicht? Darüber wurde und wird in den Kirchen gestritten. In vielen evangelischen Landeskirchen ist die Debatte darüber beendet; in anderen sind mühsam Kompromisse gefunden worden, deren Tragfähigkeit sich erst noch erweisen muss. Die Haltung der katholischen Kirche ist klar: Homosexualität entspricht nicht dem Willen Gottes. Was bedeutet das für Christen, die ihren Glauben ernst nehmen? Fühlen sie sich in der Kirche willkommen? Und wie erleben homosexuelle Pfarrer und Pfarrerinnen ihren Arbeitgeber? Der Film stellt Menschen vor, die sich persönlich oder in ihrem Amt mit dieser Frage auseinandersetzen müssen, zum Beispiel Ulrike und Barbara, die sich vor 25 Jahren beim Theologiestudium ineinander verliebt haben. Beide wurden Pfarrerinnen, ihre Liebe blieb; erst heimlich, dann in einer Fernbeziehung. Nach einigen Jahren will das lesbische Paar zusammenleben, unter dem Dach des Pfarrhauses. Das ist in Sachsen nicht ohne weiteres möglich. Auch Markus und Paul Raschke aus Dresden wissen ganz genau, welche Aufregung ausbricht, wenn man sich als schwul outet, besonders wenn man lange Jahre verheiratet war und Kinder großzog. Ihr Glaube an Gott hat in dieser schlimmen und doch so wichtigen Zeit des Umbruchs geholfen. Doch wie reagieren andere Christen auf ihre Liebe? Markus kämpft in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) für die Rechte schwuler, lesbischer und transsexueller Christen. Er arbeitet unter der Woche im evangelischen Kirchenamt und am Sonntag als Küster vor den Gottesdiensten.
20.11., WDR Fernsehen, 23.15 Uhr: "Das Mädchen"
Argentinien, 1977. Die Menschen leiden unter der Militärdiktatur, Regimekritiker werden zu Tausenden verschleppt, gefoltert, getötet. Auch die in der Hauptstadt Buenos Aires lebende deutsche Studentin Elisabeth Käsemann verschwindet im März unter mysteriösen Umständen. Die idealistische Professorentochter hat als Sozialarbeiterin in den Slums gearbeitet. Als die Militärs 1976 putschen, schließt sie sich einem Netzwerk an, das vom Regime Verfolgte mit gefälschten Papiere außer Landes bringt. Am 8. März 1977 wird sie selbst in ein Folterlager verschleppt. Die Eltern wenden sich vergeblich an das Auswärtige Amt. Die Regierung unter Helmut Schmidt sieht ein Jahr vor der Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien von jeglicher Intervention ab. Auch der Deutsche Fußballbund verschenkt die Chance, die junge Frau zu retten. Obwohl der Fall seit April in deutschen Medien bekannt ist, reist die Elf im Mai 1977 nach Argentinien. Während Elisabeth Käsemann in Buenos Aires gefoltert und vergewaltigt wird, bereitet sich die deutsche Fußballnationalmannschaft auf ein Freundschaftsspiel vor. Mit diesem Spiel wollen die argentinischen Diktatoren der Welt die Sicherheit im Land des WM-Gastgebers demonstrieren und allen Vorwürfen wegen Menschenrechtsverletzungen entgegentreten. Einer der wichtigsten Partner dabei ist die Bundesrepublik, die mit der Militärdiktatur gute Geschäfte macht. Am 25. Mai 1977 wird Elisabeth Käsemann von der Junta hingerichtet. Am 5. Juni läuft die deutsche Elf in Buenos Aires auf und entscheidet das Spiel mit 3:1 für sich. Neben damals verantwortlichen Politikern wie Hildegard Hamm-Brücher und Klaus von Dohnanyi, Sportlern wie Karl-Heinz Rummenigge, Paul Breitner oder Sepp Maier äußert sich erstmalig auch der zu 22 Jahren Gefängnis verurteilte Gefängniswärter des illegalen KZ "El Vesubio", Roberto Zeolitti, zu der Frage über Schuld und Verantwortung und einem Mord, der hätte verhindert werden können. Der neue Dokumentarfilm des mehrfachen Grimme-Preisträgers Eric Friedler stellt Fragen von beklemmender Brisanz.