8.11., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Aktion Syrer retten"
Die Autorinnen dieser Reportage porträtieren zwei Männer, die nicht mehr länger tatenlos zusehen wollten, wie Menschen auf der Flucht im Mittelmeer ertrinken. Edith Beßling und Yasemin Ergin haben die dramatischen Rettungsaktionen über Monate mit der Kamera begleitet. Entstanden ist eine sehr persönliche Reportage über zwei mutige Menschen, die viel riskieren, um Gutes zu tun: Der Hamburger Thomas Dreyer beschließt nach dem Hilferuf eines Syrers, dem Mann eine legale und sichere Flucht aus Damaskus nach Hamburg zu ermöglichen, mit Visum und Flugticket. Dafür muss der Arzt eine Erklärung abgeben, die ihn verpflichtet, unbegrenzt lange alle Lebenshaltungskosten des Flüchtlings zu übernehmen. Das ist ein unübersehbar hohes finanzielles Risiko, das Dreyer nicht allein tragen kann. Deshalb steht ihm eine Kirchengemeinde zur Seite. Auch in Berlin bürgt ein Deutscher für Syrer, um sie auf legalem Weg aus dem Krieg ins sichere Deutschland zu bringen. Martin Keune hat den Verein "Flüchtlingspaten Syrien" gegründet, um die hohen Kosten auf mehrere Schultern zu verteilen. Der Film zeigt, wie groß das bürgerschaftliche Engagement ist, aber auch, wie schwer es die Politik den Helfern macht.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Wenn es nicht so bedrückend wäre, könnte man darüber lachen: Anfang der Sechzigerjahre kommt eine fortschrittlich denkende türkische Familie aus der Weltstadt Istanbul ins beschauliche niederrheinische Moers. Das sei bestimmt ein Kulturschock gewesen, vermutet ein gönnerhafter Nachbar. Damit liegt er völlig richtig, aber anders, als er glaubt: Die begnadete Mathematikerin Latife (Neda Rahmanian) hat gerade als eine der ersten Frauen die Aufnahmeprüfung für die Technische Universität bestanden, als ihr Mann Burhan (Murathan Muslu) in Moers die Zahnarztpraxis seines Vaters übernehmen soll. Schockiert muss die Feministin und Atheistin erkennen, dass ihre neuen Mitbürgerinnen einem in ihren Augen mittelalterlichen Frauenbild entsprechen. Den Traum von der Karriere als Mathematikprofessorin kann sie ohnehin erst mal begraben. Nils Willbrandts Tragikomödie basiert auf den mal heiteren, mal melancholischen Geschichten aus Lale Akgüns Buch "Tante Semra im Leberkäseland". Die frühere SPD-Politikerin schildert darin ihre Kindheit und Jugend. Neda Rahmanian verkörpert die verschiedenen Facetten der Hauptfigur so glaubwürdig, dass es völlig unverständlich ist, wieso sie bislang bloß Nebenrollen gespielt hat.
9.11., ARD, 22.45 Uhr: "Die Story im Ersten: Todkrank durch die Pille?"
Die Antibabypille bedeutete für Generationen von Frauen sexuelle Freiheit. Doch einige dieser Hormonpräparate sind sehr umstritten. Fabian Sabo und Nicole Probst schildern in ihrem Film den Kampf einiger Frauen gegen einen Pharmakonzern. Eine von ihnen ist Felicitas Rohrer, die mehrere Monate eine der neueren Antibabypillen eingenommen hat. 2009 wurde sie als Notfall mit einer doppelten Lungenembolie ins Krankenhaus gebracht. Sie überlebte nur knapp. Die damals 25-Jährige hatte keine Vorerkrankungen, war nicht dick, rauchte nicht. Ihre Ärzte vermuten, dass die Antibabypille Ursache der Erkrankung war. Zahlreiche neue Studien belegen, dass die Pillen der vierten Generation mit dem Wirkstoff Drospirenon im Vergleich zu den Pillen der ersten und zweiten Generation ein mindestens doppelt so hohes Thromboserisiko besitzen. Die Blutgerinnsel können zu Lungenembolien und Schlaganfällen führen. Felicitas Roher muss seit ihrer Erkrankung blutverdünnende Medikamente nehmen und kann vermutlich nie Kinder bekommen. Im Mai 2011 hat sie den Pharmariesen Bayer auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagt. Mit vielen anderen Frauen will sie dafür kämpfen, dass Bayer die umstrittenen Pillen vom Markt nimmt. Am 17. Dezember beginnt der Prozess.
9.11., ARD, 23.30 Uhr: "Geschichte im Ersten: Was wurde aus der Stasi?"
Die Dokumentation von Jan N. Lorenzen und Michael Bluhm beschreibt, wie es mit der ostdeutschen Geheimpolizei nach der friedlichen Revolution 1989 weiterging. Der Film erzählt von Befürchtungen, die Stasi würde als Organisation im Untergrund weiterbestehen. Aber er handelt auch von der Angst der hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter vor Ausgrenzung und Arbeitslosigkeit; die Männer und Frauen mussten sich irgendwie mit der neuen Gesellschaftsordnung arrangieren. Vor allem jedoch ist "Was wurde aus der Stasi?" ein Film über den Umgang mit Vergangenheit. Wie gehen wir mit den Tätern um? Kann es für Mitarbeiter des MfS ein Zurück in die Gesellschaft geben? Waren Verschweigen und Verdrängen eine Voraussetzung für den persönlichen Neuanfang? Zu Wort kommen neben hauptamtlichen MfS-Mitarbeitern auch Bürgerrechtler, die die Debatte um den Umgang mit den Tätern maßgeblich geprägt haben, darunter Roland Jahn, der derzeitige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde, und Peter-Michael Diestel, der letzte Innenminister der DDR.
9.11., Vox, 20.15 Uhr: "Club der roten Bänder"
Weil die Patienten kommen und gehen, spielen in Krankenhausserien naturgemäß Ärzte die Hauptrolle. Nicht nur deshalb fällt "Club der roten Bänder" aus dem Rahmen, denn hier stehen jugendliche Langzeitpatienten im Mittelpunkt. Die Serie erzählt die Geschichte einer eigentlich unmöglichen Freundschaft, denn die Clubmitglieder habe völlig unterschiedliche soziale Hintergründe; allein ihre Krankheiten machen sie zu Schicksalsgefährten. Die erste fiktionale Eigenproduktion von Vox basiert auf Jugenderinnerungen, aus denen der Spanier Albert Espinosa erst einen Roman und später eine Serie gemacht hat. Die Protagonisten der deutschen Version sind allerdings deutlich älter. Die Leistung der Regie lag vor allem in der Führung der Schauspieler: Den jungen Darstellern gelingt es glaubwürdig, ihre Rollen zum Leben zu erwecken, denn zunächst wirken sie ihrer Position im Club entsprechend (der Anführer, der Hübsche, das Mädchen) eher stereotyp. Eine weitere Stärke ist die emotionale Tiefe: Die Geschichten sind mal zum Lachen und mal zum Heulen; sie leben von den meist ohne viele Worte inszenierten besonderen Momenten. Das größte Kunststück aber ist die emotionale Gratwanderung: Obwohl die individuellen Schicksale deprimierend sind, vermittelt die Serie eine große Lebensfreude.
10.11., ZDF, 20.15 Uhr: "Wie viele Flüchtlinge verträgt Deutschland?"
Deutschland steht vor der größten Herausforderung seit der Einheit. "Wir schaffen das", der Satz von Angela Merkel hat Bewunderung und Irritation geweckt. Schaffen wir das wirklich? Die Sendung zeigt, wie tiefgreifend der Sommer der Flüchtlinge Deutschland verändert hat. Was ist zu tun, damit Versorgung und Integration von Hunderttausenden nicht nur logistisch gelingen, sondern auch gesellschaftlich akzeptiert werden? Viele Menschen sind verunsichert, wenn in ihrer Nachbarschaft Flüchtlingsunterkünfte entstehen: weil sie sich um ihre Sicherheit sorgen, weil sie das Gefühl haben, dass Deutschland zum Zufluchtsort von Menschen wird, die nicht vor Krieg und Lebensgefahr fliehen, sondern "nur" vor Armut. Auf der anderen Seite allerdings stehen Tausende, die mit Hilfsbereitschaft und Engagement ein neues Bild von Deutschland in die Welt senden, die Flüchtlinge bei sich zu Hause aufnehmen, die darauf hoffen, dass die Zuwanderung am Ende für die gesamte Gesellschaft Vorteile bringt: demografisch, finanziell und kulturell. Die Sendung beschreibt Chancen und Gefahren der neuen Situation, schildert in Reportagen das Schicksal der Betroffenen und lässt internationale Experten sowie Befürworter und Gegner verstärkter Zuwanderung zu Wort kommen.
10.11., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: "Kein Smalltalk, keine Lügen - Leben mit Autismus"
Menschen mit dem Asperger-Syndrom nehmen die Welt optisch, akustisch und vor allem Gefühle anders wahr. Sie lieben Logik und Wahrheit. Lügen und Smalltalk schätzen sie gar nicht. Ihre Gefühle sind eben anders. Daniela Agostini schildert in ihrer Reportage, wie Autisten mit den Herausforderungen einer hektischen lauten Welt begegnen, in der nicht immer die Wahrheit zählt. Sie hat drei Menschen begleitet, die das Asperger-Syndrom haben. Der Film zeigt humorvolle Situationen, aber auch Momenten, die dazu führen, dass "normale" Menschen ihr Verhalten hinterfragen. Und er verdeutlicht, dass Autisten keineswegs am Rande der Gesellschaft stehen: Die drei Protagonisten sind gut integriert; einer hat in Geophysik promoviert, eine Familie gegründet und arbeitet in der IT-Abteilung eines Pharmakonzerns. Ein anderer macht eine Ausbildung zum Elektroniker und betreut ehrenamtlich einen alten Mann im Hospiz. Allein die einzige Frau im Film scheint dem Stereotyp zu entsprechen: Sie schaut ihren Gesprächspartnern zwar in die Augen und lächelt, doch vieles an ihrem Verhalten hat sie sich hart antrainiert. Es fehlt die Empathie, das Hineinversetzen in das Gegenüber. Andererseits stellt sich in einer Gesellschaft, in der zunehmend Singles leben, in der die Kommunikation mit Handy und Computern den Alltag bestimmen und "autistisches" Verhalten schon fast zum Lifestyle gehört, die Frage: Was ist schon normal?
10.11., Arte, 20.15 Uhr: "Im Krieg"
Mit Hilfe von noch nie veröffentlichten Fotografien erzählt der Dokumentarfilm vom Leben und Sterben im Ersten Weltkrieg. Rund 25.000 Bilder wurden in deutschen, französischen, englischen und amerikanischen Museen und Archiven entdeckt. Als ein wahrer Schatz erwiesen sich die historischen Aufnahmen aus der Sammlung des Berliner Fotografen August Fuhrmann, die kurz nach ihrer Entstehung von Hand koloriert wurden. Der Dokumentarfilm kombiniert die Bilder mit Zitaten aus Tagebüchern und Briefen über Liebe und Hass, Hoffnung und Tod. Universelle Erfahrungen, aufgeschrieben von so berühmten Zeitgenossen wie Stefan Zweig und Maurice Maréchal, aber auch von einfachen Soldaten, Männern, Frauen und Kindern auf beiden Seiten der Front. Eine Einordnung oder Erklärung durch einen Kommentar benötigen sie nicht. Dieser Chor der Erinnerungen vereint sich zu einer Stimme und macht die Ereignisse des Ersten Weltkriegs persönlich erfahrbar. Die Faszination, die von den historischen Fotografien ausgeht, verbindet sich mit der Kraft der symphonischen Musik von Henrik Albrecht, eingespielt vom Deutschen Filmorchester Babelsberg. Für den Film konnten erstklassige Sprecherinnen und Sprecher gewonnen werden, so Miroslav Nemec und Peter Matic, bekannt als deutsche Synchronstimme von Ben Kingsley.
10.11., Arte, 21.55 Uhr: "Die Grauen der Shoah, dokumentiert von sowjetischen Kameramännern"
Die weltbekannten Filmaufnahmen von der Befreiung der Konzentrationslager waren lange die einzigen Dokumente, die der Shoah im kollektiven Gedächtnis ein Gesicht gaben und den Horror ansatzweise greifbar machten. Doch was wissen wir von den drei Millionen Juden, die auf sowjetischem Boden ums Leben kamen? Nach Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes 1939 hatte die UdSSR die baltischen Länder und den östlichen Teil Polens annektiert. In diesen Ländern und in der Ukraine werden sich die größten Massaker abspielen: Millionen sowjetischer Zivilisten werden ermordet und mit ihnen die ganze jüdische Bevölkerung. In den von der Wehrmacht eroberten Gebieten betreiben sogenannte Einsatzgruppen aus Polizei und Waffen-SS eine mörderische Jagd ohnegleichen. Die Bilder, die bei der Öffnung der sowjetischen Archive rund 60 Jahre nach Kriegsende ans Licht kamen, enthüllen nun das ganze Ausmaß dieses Dramas. Zusammen mit deutschen, litauischen und ukrainischen Aufnahmen erzählen sie vom Holocaust jenseits der offiziellen Geschichtsschreibung und von diesem vergessenen Massenmord am jüdischen Volk. Ab 1941 wurden sowjetische Kameramänner an die Front geschickt, um das festzuhalten, was Stalin den "großen vaterländischen Krieg" nannte. Ihre Bilder sollten das sowjetische Volk davon überzeugen, gemeinsam gegen den Nationalsozialismus zu kämpfen. Ununterbrochen und bis zum Kriegsende filmten diese Männer die Gräueltaten des Feindes - zur Bewahrung der nationalen Einheit wurde jedoch verschwiegen, dass die jüdische Bevölkerung zu den ersten Opfern der Besatzer gehörte.
10.11., WDR Fernsehen, 22.00 Uhr: "Eberl entdeckt den Kosovo - Selbstversuch: Wirtschaftsflüchtling"
Es soll Platz gemacht werden für neue Flüchtlinge. Die Behörden wollen durchgreifen, in den kommenden Monaten sollen besonders viele Menschen abgeschoben werden, weil sie "nur" Wirtschaftsflüchtlinge. Doch was bedeutet das eigentlich, ein Wirtschaftsflüchtling zu sein? WDR-Reporter Jens Eberl will das herausfinden. Er besucht Ibrahim Loku im Kosovo. Der Kosovo soll bald auch offiziell ein "sicheres Herkunftsland" werden. Der 20-Jährige musste Deutschland vor wenigen Wochen wieder verlassen, sein Asylantrag wurde abgelehnt. Nun muss er eine siebenköpfige Familie ernähren. In seinem Job als Baumfäller verdient Ibrahim gerade drei Euro am Tag. Und da hat er noch Glück, die meisten jungen Kosovaren haben gar keine Arbeit. Und das wird sich auf Jahrzehnte kaum ändern, so die Prognosen vieler Wirtschaftsexperten. Jens Eberl zieht bei Ibrahims Familie ein, will ihr Leben hautnah mitbekommen. Ibrahim mit ihm durch den Kosovo, um ihm zu zeigen, wie junge Menschen hier leben. Er versteht nicht, was die Deutschen meinen, wenn sie ihm sagen, er sei "nur" ein Wirtschaftsflüchtling. Er hat kaum genug zu essen und kann seinen Kinder keine Zukunft bieten. Für ihn ist das viel mehr als nur ein Wirtschaftsproblem: Es ist sein Leben.
12.11., WDR Fernsehen, 22.30 Uhr: "Menschen hautnah: Viktor wollte nicht mehr leben"
Der Film erzählt vom Schicksal eines an Depressionen leidenden Mannes, der sich vor einen Zug geworfen hat, um sein Leben zu beenden. Doch Viktor überlebte. Früher war er ein fröhliches Kind, unbeschwert, sorglos, frei. Dann ging irgendetwas furchtbar schief. In der Oberstufe am Gymnasium wird er krank, nicht körperlich, aber in seinem Kopf macht sich ein Nebel breit, alles wird immer dunkler; am Ende sieht er den einzigen Ausweg im Selbstmord. Als er im Krankenhaus erwacht und feststellt, dass er beide Beine verloren hat, ist seine Todessehnsucht stärker als zuvor. Aber dann bekommt er endlich Hilfe: Eine Psychologin klärt ihn über seine Krankheit auf und bringt ihm bei, wie er mit Medikamenten einigermaßen kontrollieren kann. Viktor schreibt ein Buch: "Die Geschichte meines Selbstmords - Und wie ich das Leben wiederfand".
12.11., WDR Fernsehen, 23.15 Uhr: "Die Folgen der Tat"
In dem Film setzt sich Julia Albrecht mit den Auswirkungen des Verbrechens ihrer älteren Schwester Susanne auseinander, die am 30. Juli 1977 am RAF-Attentat auf den Dresdner-Bank Chef Jürgen Ponto beteiligt war. Die enge Freundschaft zwischen den Familien Albrecht und Ponto hatte Susanne Albrecht den Zugang zum Hause Ponto ermöglicht. Die Tat der RAF-Terroristen erschütterte die Bundesrepublik umso mehr, als sie als Anschlag auf Vertrauen, Moral und Anstand gewertet wurde. Bis heute setzt sich die Familie Albrecht immer wieder mit dem Geschehenen auseinander. Julia Albrecht gelang es, ihre Mutter und ihren Bruder Matthias zu überzeugen, vor der Kamera über die Tat und deren Folgen zu sprechen. Die intensive Beschäftigung mit der Erinnerung und der erneute Versuch, das Unverständliche zu verstehen, verursachte emotionale Ausnahmesituationen. Der Film verdeutlicht, warum ein solcher Verarbeitungsprozess an die Substanz eines Menschen geht, und warum keiner der Beteiligten in der Lage ist, emotional und intellektuell einen Schlussstrich zu ziehen.