Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) nimmt das 500. Reformationsjubiläum fest in den Blick: Ab dem 8. November berät die Synode in Bremen, wie in zwei Jahren ein "Christlicher Glaube in offener Gesellschaft" sichtbar werden soll. Mehr Aufmerksamkeit als die organisatorischen und inhaltlichen Vorbereitungen auf das Jubiläum dürfte aber eine Wahlentscheidung des Kirchenparlaments bekommen: Wer repräsentiert 500 Jahre nach dem Thesenanschlag Martin Luthers (1483-1546) als Ratsvorsitzender die deutschen Protestanten?
Beste Chancen, im Jahr 2017 die Gäste aus aller Welt in Deutschland zu begrüßen, hat der bisherige Ratschef Heinrich Bedford-Strohm. Der 55-jährige bayerische Landesbischof war erst vor einem Jahr an die Spitze gerückt, weil Vorgänger Nikolaus Schneider das Amt wegen einer schweren Erkrankung seiner Frau vorzeitig niedergelegt hatte. Der Rheinländer war 2010 eingesprungen, nachdem die populäre hannoversche Bischöfin Margot Käßmann wenige Monate nach ihrer Wahl wegen einer Alkoholfahrt von allen kirchlichen Leitungsämtern zurückgetreten war.
23 Kandidaten für den Rat
Der rhetorisch versierte Bedford-Strohm repräsentierte die EKD in den vergangenen zwölf Monaten souverän. Früher als andere warnte er angesichts der weltweiten Flüchtlingsströme vor einer humanitären Katastrophe. Der lutherische Theologe warb nicht nur für Menschlichkeit in Deutschland und Solidarität in Europa, sondern richtete den Fokus auch auf die Herkunftsländer.
Nach einer mehrtägigen Irak-Reise vor rund einem Jahr forderte er vehement die Einrichtung einer UN-Schutzzone für die verfolgten Christen und Jesiden. Seine Position, dass die IS-Terrormilizen notfalls mit militärischer Gewalt gestoppt werden müssen, war für die Anhänger eines unbedingten Pazifismus innerhalb der EKD schwer zu ertragen. Geschadet hat das Bedford-Strohms Ansehen nicht.
Das Spektrum kirchlicher Positionen dürfte auch in der Predigt im Eröffnungsgottesdienst zur Synode deutlich werden. Renke Brahms, leitender Geistlicher der gastgebenden Bremischen Landeskirche und zugleich EKD-Friedensbeauftragter, will über gewaltfreie Konfliktlösung, Hass und Liebe sprechen. Auch darüber hinaus wird die Flüchtlingskrise während der viertägigen Beratungen Thema unter den 120 Synodalen bleiben. Einige Landeskirchen haben in den vergangenen Wochen mehrere Millionen Euro für kurzfristige Hilfe und langfristige Projekte reserviert.
Neben Bedford-Strohm bewerben sich 22 weitere Kandidaten für die 14 zu vergebenden Sitze im Rat der EKD, dem einer Regierung vergleichbaren Leitungsgremium, das für sechs Jahre gewählt wird. Unter den Bewerbern sind viele Neulinge, Konservative und Fortschrittliche, Alte und Junge, Theologen und Laien - alle mit Studium. Ehrenamtlich engagieren wollen sich zum Beispiel der Pharma-Chef Andreas Barner, der Student Ingo Dachwitz, der Evangelikale Michael Diener, die SPD-Politikerin Kerstin Griese, die Museumsdirektorin Katja Lembke und die Theologieprofessorin Elisabeth Gräb-Schmidt.
Die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft
Seit 2008 wird das 500. Reformationsjubiläum mit steigender Intensität von den Kirchen zusammen mit dem Staat vorbereitet. Auch die Synodalen beschäftigen sich erneut damit, wie die Kirche den Spagat hinbekommt zwischen touristischer Attraktion und theologischer Reflexion, zwischen Feiern und Gedenken.
Dafür wollen sie sich nicht nur einen Überblick verschaffen über Oratorien, Luther-Wander-Wege, den Reformationssommer 2017 und Devotionalien wie einen Luther-Einkaufswagenchip. Sie werden diskutieren über "die Bedeutung reformatorischer Einsichten für die Gestaltung unserer offenen Gesellschaft", wie Präses Irmgard Schwaetzer als Vorsitzende der Synode ankündigt.
Doch bei aller Reformations-Feierlaune: Spätestens nach 2017 werden sich die Kirchenvertreter wohl wieder damit beschäftigen, wen sie eigentlich repräsentieren. Denn die Zahl der Kirchenmitglieder schrumpft stärker als zuvor. Ende des Jahres 2014 waren es rund 22,5 Millionen, 410.000 weniger als im Vorjahr.
Genaue Zahlen will die EKD erst nach der Synode veröffentlichen. Meldungen aus den Landeskirchen zeigen aber steigende Austrittszahlen: Die größte Landeskirche, Hannover, verzeichnete 2014 rund 40 Prozent mehr Austritte als im Jahr zuvor.