Konkret versprachen die Kirchenoberen, mit ihren jeweiligen Regierungen in Kontakt zu treten und ihr globales Netzwerk als Kirchen zu nutzen. Sie riefen die europäischen Regierungen dazu auf, im Sinne der Menschenwürde zusammenzuarbeiten. "Flüchtlinge müssen mit Würde behandelt werden. Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes", sagte Heinrich Bedford-Strohm, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD).
Gemeinsam mit Olav Fykse Tveit, dem Generalsekretär des Ökumenischen Rats der Kirchen in Genf, hatte er 35 Bischöfe aus 20 Ländern nach München eingeladen, ein gemeinsames Zeichen der christlichen Kirchen für die Menschenwürde zu setzen. "Das kann nicht sein, dass wir einen unbewältigten Konflikt in der Geschichte zurücklassen. Es ist Zeit, das Desaster zu beenden", sagte Olav Fykse Tveit.
Der orthodoxe Metropolit Gabriel von Nea Ionia und Filadefia in Griechenland sagte, sein Land stünde im Herzen des Konflikts: "Wir müssen der Welt beweisen, dass Solidarität in Europa existiert. In unserem christlichen Glauben zählt nur das, was wir tun, zählt nur, wenn wir die Liebe Christi auch praktizieren."
Humanitäre Flitterwochen"Wir haben viele Jahre in Europa die Verantwortung nicht übernommen", sagte Doris Peschke, Generalsekretärin der Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME). "Lassen sie es uns jetzt und in Zukunft besser machen." Sie erinnerte an das schon existierende Resettlement-Programm der EU und forderte es auszubauen.
Den Mangel an internationaler Koordinierung der Hilfe für Flüchtlinge kritisierte auch die schwedische Erzbischöfin Antje Jackélen. Wenn Europa in der Flüchtlingskrise scheitere, habe das für die ganze Welt negative Auswirkungen, sagte sie. Jackélen sieht es als Aufgabe der Kirchen, die Menschen daran zu erinnern, dass sie nicht nur Konsumenten, sondern auch Bürger seien.
"Die Konsumenten-Identität bedeutet, dass wir Konsum wählen. Auch als Kirchenvertreter sehen wir, dass es einen Trend dazu gibt, religiöse Erfahrungen für Verbraucher zu produzieren", das sei das Gegenteil von dem, was Kirche bedeute. "Ein Bürger ist ein Subjekt mit Rechten und Verantwortung", führte sie aus. Auch als Menschen und Christen hätten wir diese Verantwortung. Doch Jackélen äußerte sich auch bewundernd über die Hilfsbereitschaft in weiten Teilen Europas. "Viele Länder befinden sich in einer Art humanitärer Flitterwochen", sagte sie. Die verbreitete Islamophobie mache ihr allerdings Sorgen.
In diesem Zusammenhang mahnte Jackélen die Medien, die das Bild des Islams durch hauptsächlich einseitige Darstellung verzerrten: "Bilder des moderaten Islam werden nicht so schnell verbreitet, wie die des fundamentalistischen. Da könnten die Medien mehr mitarbeiten", sagte sie
"Flitterwochen der Hilfe bedeuten nicht, dass danach alles vorbei ist", ergänzte Bedford-Strohm. "Diese Phase ist eine wunderbare Einladung für nachhaltige Liebe und Verständnis." Die Hilfsbereitschaft müsse in eine Kultur der Unterstützung für die Schwachen in der Gesellschaft übergehen, forderte Bedford-Strohm. "Wir haben ein Ausmaß an Hilfsbereitschaft gesehen, das viele nicht erwartet hätten und das können wir beibehalten." Er schlug vor, mit finanziellen Mitteln der Kirche und des Staates, Stellen zu schaffen, um die freiwillige Hilfe zu koordinieren.
"Niemand sollte überrascht sein, dass Flüchtlinge nach Europa kommen, wenn sie in den Flüchtlingscamps im Nahen Osten keine Lebensmittel bekommen"
Bedford-Strohm nannte als ein Beispiel für Hilfen aus Gemeinden und Landeskirchen, dass die bayerische Landeskirche bereits 500.000 Euro als Soforthilfe für Flüchtlingscamps im Nahen Osten bereitgestellt habe. "Niemand sollte überrascht sein, dass Flüchtlinge nach Europa kommen, wenn sie in den Flüchtlingscamps im Nahen Osten keine Lebensmittel bekommen." Bedford-Strohm sprach auf der "internationalen Konsultation zur Flüchtlingskrise" auch für seinen katholischen Kollegen Reinhard Kardinal Marx, mit dem er in der Flüchtlingsfrage vollkommen auf einer Linie sei. Marx war persönlich nicht anwesend, da er momentan die europäische Bischofskonferenz leitet.
Die Kirchenführer wollten in der eintägigen Beratung darüber sprechen, wie die Christen der verschiedenen Kirchen in Europa, im Nahen Osten und in Afrika mit den Herausforderungen für die Flüchtlinge, aber auch für die Bewohner, Hilfsorganisationen und staatlichen Stellen in den aufnehmenden Ländern angemessen umgehen können. Auf der Tagesordnung standen auch die Frage, wie sich die Kirchen in ihren Gesprächen mit den Regierungen und ihren öffentlichen Erklärungen in ihren jeweiligen Ländern möglichst mit einer Stimme äußern können.
Weitere übergreifende Treffen der Kirchenoberhäupter, auch über Europa hinaus, sollten vereinbart werden.