«Wir sind völlig überbelegt»

«Wir sind völlig überbelegt»
Mit Improvisationstalent meistern Behörden die Flüchtlingsunterbringung
Überstunden, Urlaubssperren, Sieben-Tage-Wochen: Nur so lässt sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen ein Chaos verhindern, wie ein Besuch einer Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt zeigt.
07.09.2015
epd
Daniel Staffen-Quandt (epd)

Schweinfurt (epd)Vor dem Kasernengebäude 209 herrscht dichtes Gedränge. Männer, Frauen und Kinder drängen hinein, quetschen sich heraus. Es ist laut, stickig, die Menschen sind müde, viele sind seit Wochen unterwegs, manche waren es auch in dieser Nacht. Einige suchen auf kleinbedruckten Aushängen nach ihrem Namen: "Heutige Bustransfers" steht darüber in mehreren Sprachen. Trotz Tausender Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan, die täglich in Bayern ankommen - in der Schweinfurter Erstaufnahmeeinrichtung für Asylsuchende herrscht im offenbaren Chaos eine gewisse Ordnung.

"Völlig überbelegt"

Maria-Antonette Graber ist eine zupackende Frau, drahtig und mit einem kräftigen Händedruck. Seit der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung ist sie deren Chefin, davor hat sie sich im Landratsamt Kitzingen um die Bereiche Jugend und Soziales gekümmert. Die Unterkunft in der einstigen Schweinfurter US-Kaserne Ledward Barracks ist eigentlich für maximal 540 Menschen ausgelegt, derzeit leben aber mehr als 1.000 dort. Etwa 260 in zwei kleinen und großen Zelten, der Rest verteilt auf zwei ehemalige Soldaten-Wohnblocks: "Wir sind völlig überbelegt."

Überbelegt sind dieser Tage in Bayern alle Erstaufnahmeeinrichtungen, auch die in München, Deggendorf und Zirndorf bei Nürnberg. Aber das hilft Graber nicht weiter. Sie muss mit ihren 32 Mitarbeitern für die Neuankömmlinge Schlafplätze suchen, Notunterkünfte in den Kommunen schaffen, Betten und Bettzeug organisieren, Essen besorgen und vieles mehr. "Ich hatte vor einem halben Jahr keine Ahnung, was da auf mich zukommt", erzählt sie. Sie arbeitet mindestens von 7 bis 20 Uhr, sieben Tage die Woche, das Handy ist immer an. Sie jammert nicht - aber sie beschönigt auch nichts: "Man kann nicht abschalten, es schlaucht."

Frierende Menschen

Übers Wochenende kamen wieder mehrere Busse mit Flüchtlingen aus München an, einer wurde direkt zu einer neuen Notunterkunft in Zell am Main bei Würzburg gelotst - die Flüchtlinge leben dort vorübergehend in einer Schulturnhalle. Am frühen Montagmorgen stehen auch schon die ersten Busse auf dem Gelände, diesmal leere, die Asylsuchende auf die zahlreichen Dependancen der Erstaufnahmeeinrichtung verteilen sollen. Vor den Omnibussen stehen frierende Menschen, es ist kalt und nass, viele haben nur dünne Hemden oder T-Shirts an, manche tragen nur Sandalen, dazwischen steht vereinzelt Gepäck in Plastiktüten.

Wie lange dieses geordnete Aufnehmen und Weiterverteilen der vielen Flüchtlinge noch funktioniert, das weiß auch Graber nicht. "Ich habe für diese Woche noch maximal 500 weitere Plätze in Notunterkünften, dann müssen wir sehen", sagt sie. Und sie weiß auch, dass die ganzen Zelte auf dem ehemaligen Kasernengelände oder auch in Würzburg maximal noch vier Wochen stehenbleiben können: "Dann wird's einfach zu kalt." Wohncontainer aber sind derzeit kaum zu bekommen.

Eintöniges Leben

Trotz der Belastungen, Graber und all ihre Mitarbeiter sind betont freundlich, auch wenn es mal Beschwerden von den Asylsuchenden gibt. "Die Menschen müssen mindestens sechs Wochen in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, maximal dürfen es drei Monate sein", erläutert sie. Einigen falle schon nach drei Wochen die Decke auf den Kopf. "Verständlicherweise", sagt Graber. Obwohl Hilfsorganisationen Sprachkurse, Kinderbetreuung und vieles mehr anböten, sei das Leben in der Einrichtung eintönig. Aber das lasse sich nun mal nicht ändern.