Nach dem Büro aufs Feld

Nach dem Büro aufs Feld
Hamburger holen ihr Gemüse beim
«Afterwork-Ernten» selbst vom Acker
Knackiges Gemüse, Abendsonne, entspannte Stimmung - im Süden Hamburgs ernten Großstädter nach Feierabend selbst. Möglich macht das Gemüsebäuerin Jantje Schumacher, die einmal wöchentlich zum «Afterwork-Gemüse-Ernten» auf ihren Hof lädt.
01.09.2015
epd
Julia Fischer (epd)

Hamburg (epd)"Wo finde ich Gurken?", fragt eine junge Frau. Jantje Schumacher (40) geht vorweg, zeigt ihr die Pflanzen. Die Kundin setzt das Messer an, erntet, legt die Früchte in eine große Kiste neben einen Kohlrabi und ein Büschel Basilikum. Jeden Mittwoch von 18 bis 20 Uhr kommen die Leute zu Schumacher auf den Hof in den Hamburger Vier- und Marschlanden zum "Afterwork-Gemüse-Ernten". Sie schneiden auf dem Feld und im Treibhaus Kohlrabi, Salat, Blumenkohl und Kräuter selbst. Alles ist ungespritzt, durch die bunte Mischkultur schützen sich die Pflanzen teilweise gegenseitig vor Schädlingen.

Die Idee für ihren "Mitmachgarten" hatte Schumacher, als sie mit ihrem ersten Kind schwanger war. "Erst gab es nur die Gemüsehütte vorn an der Straße", erzählt die Mutter von zwei kleinen Kindern. Das ist in dieser Gegend - dem größten geschlossenen Blumen- und Gemüseanbaugebiet Europas - so üblich: Bauern und Gärtner verkaufen ihre Produkte direkt vorm Hof an Nachbarn und Ausflügler. Inzwischen hat Schumacher ihr Angebot um Kräuter- und Imkerseminare erweitert und das Afterwork-Ernten erfunden. Außerdem bietet sie Hofführungen an - "die sind nicht nur bei Kindern beliebt, sondern auch bei ernährungsbewussten Erwachsenen."

Entspannen beim Ernten

After-Work-Kundin Katharina Hagen fühlt sich wohl zwischen Gurken und Salat. "Früher musste ich meinen Eltern im Gemüsegarten helfen und fand es furchtbar", sagt sie. Jetzt aber wohnt sie mitten in Hamburg, hat eine Wohnung ohne Balkon - und vermisst die Gartenarbeit. "Vom Büro direkt aufs Feld - das ist besser als Wellness".

Solche Sätze hört Jantje Schumacher häufig. Das Selber-Ernten habe etwas unheimlich Entspannendes, sagen ihr die Kunden oft. "Außerdem schmeckt das Gemüse einfach besser, als wenn man es im Supermarkt kauft", sagt Patrick Fischer, während er die Erde mit einer Forke nach Kartoffeln durchsiebt. "Hier macht es mir auch nichts, wenn mal eine dunkle Stelle am Gemüse ist, das ist eben Natur."

Der Hof gehört Schumachers Schwiegervater. Der hat ihn vor etwa 20 Jahren stillgelegt, das junge Paar begann mit ein paar Beeten für den Eigenbedarf und pachtet inzwischen einen Teil der insgesamt bewirtschafteten 7.000 Quadratmeter von ihm.

Jantje Schumacher ist in den Vier- und Marschlanden aufgewachsen und eigentlich Optikermeisterin. Aber sie war schon immer fasziniert von den großen Gemüsehöfen in ihrer Umgebung. "Alle meine Freunde kamen aus Gärtnerfamilien, nur mein Vater war Lehrer - das fand ich immer total langweilig."

Büro-Menschen und Handwerker

Die Kundschaft beim Afterwork-Ernten ist bunt gemischt. Büro-Menschen aus der Hamburger Innenstadt kommen ebenso wie der Handwerker aus der Nachbarschaft, Jung wie Alt. "Es begann mit Leuten aus der unmittelbaren Umgebung", erzählt Schumacher. Nach und nach habe es sich herumgesprochen, und inzwischen ist am Mittwochabend gut was los auf ihrem Hof. "Ich muss schon drüber nachdenken, ob ich im nächsten Jahr vergrößern sollte." Eigentlich wolle sie das nicht, sagt sie. Denn dann müsste sie die Mischkultur aufgeben - und dann würden Chemikalien notwendig.

Außerdem ginge dann wahrscheinlich auch etwas von der familiären Atmosphäre verloren. Momentan flitzt Jantje Schumacher zwischen Acker, Treibhaus und ihrer Waage im Schuppen herum, scherzt mit den Kunden und gibt Tipps zum richtigen Ernten. Wenn sie mal kurz außer Sichtweite ist, führt auch schon mal ein Stammkunde einen Neuankömmling über den Acker.

Neben dem Schuppen sitzt Helmut Koch: Er begleitet seine Frau regelmäßig, überlässt das Ernten dann aber an liebsten ihr. Zusammen mit Hündin Finja genießt er währenddessen die Abendsonne und die entspannte Atmosphäre. "Wenn Frau Schumacher jetzt noch ein kühles Bier anbieten würde, wäre es perfekt", sagt er und lacht.