Berlin (epd)Verstörende Videosequenzen, verzweifelte Kindergesichter, ein Schaf bei der Schlachtung: In einer neuen spektakulären Multimedia-Ausstellung "Gehorsam" widmet sich das Jüdische Museum in Berlin ab Freitag einer verstörenden Geschichte aus der Bibel. Im Mittelpunkt der von den Amsterdamer Künstlern Saskia Boddeke und Peter Greenaway sinnlich inszenierten Schau steht die biblische Erzählung vom Gottesbefehl an Abraham, den eigenen Sohn zu opfern. Hierzu greifen sie auf Legenden und Rituale in Judentum, Christentum und Islam zurück und übersetzen die Geschichte in die Gegenwart.
Unterschiedliche Antworten der monotheistischen Religionen
Bis heute werfe diese biblische Episode Fragen auf, die von den drei monotheistischen Religionen unterschiedlich beantwortet würden - auch wenn Isaak, der Sohn, am Ende doch nicht getötet wurde, heißt es dazu. Den Roten Faden durch die 900 Quadratmeter Ausstellungsfläche bilden eigens produzierte Filme, die in 15 Sequenzen in 15 Räumen gezeigt und von einem hierfür komponierten Soundtrack des Musikers Luca d Alberto unterlegt werden. Die Ausstellung habe eine "überwältigende visuelle Kraft", sagte die Programmdirektorin des Museums, Cilly Kugelmann.
Die Geschichte von der Opfererzählung setzt sich Raum für Raum fort und wird von der renommierten israelischen Tanz-Company Club Guy & Roni aus Groningen performt. Bereits im ersten Raum erlebt der Besucher die innige Beziehung zwischen Sarah und dem langersehnten Sohn Isaak (im Koran Ismael), überschattet von dem Unheil, das über dieser Familie kommen soll. In schnellen alptraumhaften Sequenzen sieht Abraham, wie dieses Familienglück gleich zerstört wird, wenn er gehorsam sein wird.
Statements von Kindern und Jugendlichen
Schon im zweiten Raum wird der Gegenwartsbezug hergestellt mit der Video-Installation "I am Isaac / I am Ismael". Zu sehen sind Statements von Kindern und Jugendlichen, die sich als Isaak oder Ismael identifizieren. Die Kinder klagen stellvertretend für alle Kinder ein Recht auf Schutz ihres Lebens ein. Eine Fotogalerie mit Bildern von Vätern oder Müttern mit ihren Kindern nimmt das Verhältnis von Autorität und Schutzbefohlenen auf. Einen dramatischen Höhepunkt bildet im vorletzten Raum "Sacrifice" die größte Filminstallation, die das Isaak-Opfer mit Szenen von Kindern in aktuellen Krisen- und Kriegsgebieten verknüpft. Dreht sich der Betrachter wegen der Unerträglichkeit dieser Bilder weg, starrt er auf eine blutverschmierte Wand mit 19 Schafen des koreanischen Künstlers Kyu Seok Oh.
Das Schaf oder der Widder, der am Ende statt Isaak Gott geopfert wurde, findet sich in einem der Räume als Installation "Black Sheep with Golden Horns" des britischen Konzeptkünstlers Damien Hirst wieder. In einer Projektion an der weiß gefliesten Wand wird zudem ein lebendes, verstört wirkendes Tier beobachtet - unterbrochen von kurzen Sequenzen einer rituellen Schlachtung. Als Pendant zu den Filmen führt eine Textspur aus Kalligraphien durch die Ausstellung, die Peter Greenaway aus jüdischen und islamischen Legenden zusammengestellt hat.
Erst fühlen, dann verstehen
Das Künstlerpaar Boddeke-Greenaway arbeitet seit 20 Jahren zusammen. Die Installation im Jüdischen Museum Berlin ist ihr erstes Museumsprojekt in Deutschland. "Unsere Zusammenarbeit bedeutet ständige Auseinandersetzung, eigentlich Kampf, es hält die Ideen lebendig", sagte die Multimedia-Künstlerin und Bühnenregisseurin Saskia Boddeke. Peter Greenaway ist Filmemacher und hatte zuletzt einen Film im Wettbewerb der Berlinale 2015.
Das Drama dieser Geschichte könne man nicht in einer herkömmlichen kulturhistorischen Ausstellung ausloten, sagte Kugelmann. "Wir in Deutschland wollen die Dinge immer erst verstehen und dann können wir fühlen. Aber in dieser Ausstellung wird man erst fühlen und dann kommt das Verstehen."