Stuttgart (epd)Im Stuttgarter Strafprozess gegen zwei ruandische Milizenchefs wegen Gräueltaten im Kongo hat sich einer der Angeklagten zu Wort gemeldet: "Ich wollte und will keine Toten", sagte Straton Musoni am Mittwoch vor dem Stuttgarter Oberlandesgericht. Als ehemaliger Vizepräsident der Hutu-Miliz FDLR ("Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas") habe er alles getan, um Verbrechen zu unterbinden.
Es habe "keine Kultur der Kriegsverbrechen" beim bewaffneten Arm der FDLR gegeben, betonte Musoni. Zudem hätten er und Murwanashyaka keine Kontrolle über die Truppe gehabt: "Es ist paradox, ich habe mich gegen Ungerechtigkeit eingesetzt und muss nun befürchten, bestraft zu werden."
Urteile noch vor der Sommerpause erwartet
Musoni und Murwanashyaka wird vorgeworfen, von Deutschland aus die Rebellen-Miliz per Satellitentelefon, SMS und E-Mails befehligt zu haben. Sie sollen somit für zahlreiche Vergewaltigungen und Morde im Ostkongo 2008 und 2009 sein. Es ist der erste Prozess in Deutschland nach dem Völkerstrafgesetzbuch, das 2002 in Kraft trat und die Verfolgung von Völkermord, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit regelt, auch wenn sie im Ausland begangen wurden. Die Urteile werden noch vor der Sommerpause erwartet.
Zur Beschleunigung des Verfahrens hatte die Generalbundesanwaltschaft vorgeschlagen, Anklagepunkte fallenzulassen. Von ursprünglich 16 Vorwürfen werden nur noch die vier schwerwiegendsten verhandelt. Murwanashyaka droht im Falle eines Schuldspruchs immer noch lebenslange Haft. Musoni könnte als mutmaßlicher Rädelsführer einer terroristischen Vereinigung eine lange Haftstrafe erhalten. Die Angeklagten sind seit Mitte November 2009 in Untersuchungshaft.
Ausmaß übertreiben dargestellt
Musoni stellte am Mittwoch einen der Hauptanklagepunkte in Frage: Das Massaker auf das ostkongolesische Dschungeldorf Busurungi im Mai 2009, in dem laut Anklage 94 Menschen durch die FDLR brutal ermordet wurden. Er könne sich vorstellen, dass das Ausmaß übertrieben dargestellt sei und die hohe Opferzahl nicht stimme, sagte er. Er frage sich ob dort tatsächlich Kämpfer Zivilisten mit Macheten niedergemetzelt hätten.
Sein oberstes Ziel sei gewesen, ruandische Flüchtlinge im Kongo zu schützen. Dies sei dort ohne Waffen nicht möglich. "Im Urwald geht es um das blanke Überleben", sagte Musoni. Für ihn sei der militärische Arm der FDLR mit "funktionierenden Strukturen" daher besser als die "wilde Bewaffnung von Flüchtlingen".
In einem anderen Verfahren wegen Kriegsverbrechen in Afrika verkündet an diesem Donnerstag der Bundesgerichtshof ein Revisionsurteil. Die Karlsruher Richter müssen darüber befinden, ob die Verurteilung eines Ex-Bürgermeisters aus Ruanda wegen Beihilfe zum Völkermord 1994 durch das Oberlandesgericht Frankfurt zu 14 Jahren Haft rechtens ist. In diesem Verfahren findet das Völkerstrafgesetzbuch noch keine Anwendung.