Ein älteres Ehepaar will Rache: Die 16 Jahre alte Tochter ist 72 Stunden lang vergewaltigt und anschließend ermordet worden. Der Täter hatte sich filmen lassen, während er sich an dem Mädchen verging, und konnte deshalb überführt werden. Den Namen seines Komplizen hat er jedoch nie preisgegeben. Als er nach 15 Jahren Haft das Gefängnis verlassen darf, wird er von den Eltern geschnappt. Unter Folter verrät er den Namen des Mittäters. Mit Hilfe der modernen Technik hat mittlerweile auch die Stuttgarter Polizei dessen Identität rausgefunden und kann ihn gerade noch rechtzeitig in Schutzhaft nehmen. Aber die Eltern schlagen zurück, entführen die 13jährige Tochter von Sebastian Bootz und verlangen einen Austausch.
Felix Klare in Hochform
"Preis des Lebens" ist eines jener seltenen Filmbeispiele, in denen alles passt. Durch die persönliche Betroffenheit des Kommissars spielt sich die Geschichte auf einer ganz anderen Ebene ab als übliche Krimis, zumal sich erneut bestätigt, wie klug die Entscheidung des SWR war, vor acht Jahren die Rolle neben Richy Müller dem damals völlig unbekannten Felix Klare anzuvertrauen: Er verkörpert die zunehmende Verzweiflung des Polizisten, der hin und hergerissen ist zwischen der Angst um seine Tochter und seiner moralischen Verantwortung, herausragend gut. Auf diese Weise gesellt sich zur ohnehin schon enormen Thriller-Spannung der Handlung auch eine doppelte Emotionsebene. Bootz bangt nicht nur um das Leben seiner Tochter, auch die Freundschaft zu Lannert bekommt durch dessen Verrat einen tiefen Riss: Der Kollege informiert Staatsanwältin Alvarez (Carolina Vera), Bootz wird von dem Fall abgezogen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dass dieser Film so sehr unter die Haut geht, liegt nicht zuletzt an der Nähe zu den Figuren, und wer könnte diese Nähe besser herstellen als der Autor, der sie erschaffen hat: Der zweifache Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt ("Mörder auf Amrum", "Mord in Eberswalde") hat die ersten drei Krimis für das Stuttgarter Team geschrieben und vor zwei Jahren für einen weiteren Höhepunkt gesorgt, als er mit "Spiel auf Zeit" ebenfalls eine Geschichte erzählte, die untrennbar mit den beiden Kommissaren verbunden war. Der Regisseur dieses "Tatorts" war der gleiche wie diesmal, und wie schon beim ebenfalls für den SWR entstandenen und auf einem Schmidt-Drehbuch basierenden Bankraubthriller "Ein todsicherer Plan" (2014) sorgt Roland Suso Richter für eine von der ersten bis zur letzten Sekunde packende Umsetzung. Großen Anteil daran haben die kühlen Bilder (Kamera: Jürgen Carle, Christoph Schmitz), die das winterliche Stuttgart noch ein paar Grad kälter wirken lassen, sowie die elektronische Musik (Johannes Kobilke, Stefan Ziethen), die selbst in optisch harmlosen Szenen dafür sorgt, dass die Spannung nicht nachlässt. Kongenial sind die Leistungen der Darsteller. Gruselig gut sind vor allem Robert Hunger-Bühler und Michaela Caspar: Gerade weil sie die Eltern nicht dämonisieren, sorgen sie dafür, dass man deren Schmerz ebenso nachvollziehen kann wie die Sehnsucht nach Vergeltung; unter anderen Umständen könnte man sich die beiden gut als Teilnehmer der Demonstrationen gegen den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs vorstellen. Dass sie dennoch regelmäßig cleverer sind, als der Polizei lieb sein kann, macht einen weiteren Reiz dieses tollen Thriller aus.