Frankfurt a.M. (epd)Sie standen vor deutschen Supermärkten und Banken, hielten Mahnwachen ab, schrieben Transparente, verteilten Flugblätter und diskutierten in Fußgängerzonen und Gemeinden über die Trennung nach Hautfarben und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen auf den Plantagen in Südafrika. "Kauft keine Früchte der Apartheid", lautete die Forderung ab Mitte der 1970er Jahre an die Kundinnen und Kunden in Deutschland, "Kein Geld für Südafrikas Rassenpolitik" der Aufruf an die Banken und Konzerne.
Boykott hat zur Abschaffung beigetragen
Die "tatkräftigste Bündnispartnerin dieser Kampagne" sei die Evangelische Frauenarbeit Deutschland gewesen, schreiben Jürgen Bacia und Dorothee Leidig im Buch "Kauft keine Früchte aus Südafrika! Geschichte der Anti-Apartheid-Bewegung": Im Oktober 1977 schlossen sich die Frauen dem Boykottaufruf an, zuvor hatten Anti-Apartheid-Gruppen in Nordrhein-Westfalen einen erfolgreichen Boykott aus den Niederlanden gegen Outspan-Früchte aufgegriffen.
Eine solche Aktion "hatte es innerhalb der Kirche noch nicht gegeben", erinnert sich Hildegard Zumach heute. Und sie sei sehr umstritten gewesen, sagt die damalige Generalsekretärin der Frauenarbeit, die Kirchenoberen hätten den Frauen die Proteste "ausreden wollen". Doch die Frauen wie Zumach und Ursula Trautwein in Frankfurt machten weiter.
Zumach ist überzeugt, dass dieser Boykott seinen Teil zur Abschaffung der Apartheid beigetragen hat. Zwar sei er "von der wirtschaftlichen Seite her nicht überwältigend" gewesen. Sie habe nie gehört, dass wirklich weniger Weintrauben und Orangen aus Südafrika eingeführt worden seien, auch die Importfirmen hätten das nicht nachweisen können.
Aber der Boykott habe zwei Effekte gehabt: Die Betroffenen in Südafrika seien froh über die Solidarität gewesen, das habe ihr auch später noch der damalige Erzbischof von Kapstadt, Desmond Tutu, gesagt. Und zweitens "ist die Apartheid zum Thema geworden". In Kirchengemeinden und an anderen Orten sei diskutiert worden. "Dieser Erfolg hat uns selbst überrascht", sagt sie.
"Sklavenähnliche Bedingungen"
Am 15. Oktober 1990 wurde das erste Apartheidsgesetz abgeschafft; bis 1994 fielen alle. Die Frauen beendeten den Boykott. Damals sei das Ziel "fürs Erste" erreicht gewesen, sagt Zumach: "Mit unseren Mitteln zur Überwindung der Apartheid beizutragen."
Doch 25 Jahre später stellt sich das für Boniface Mabanza anders dar: "Dort hat sich so gut wie nichts verändert", sagt der Koordinator der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika in Heidelberg. Er hat die Arbeitsbedingungen auf den Farmen in der Provinz Western Cape im Blick, wo Tafeltrauben und Wein für den Export angebaut werden. Die Arbeiter lebten unter "sklavenähnlichen Bedingungen", würden schlecht bezahlt und behandelt und seien auf den riesigen Farmen isoliert von den Gewerkschaften. Die "coloured workers" arbeiteten "seit Generationen unter denselben weißen Farmerfamilien". Zwar sei nach den großen Streiks von 2012 ein Mindestlohn festgelegt worden, sagt er. Doch die Farmer umgingen diesen.
Die kirchliche Arbeitsstelle beschäftigt sich intensiv mit der Situation der Farmarbeiter. Derzeit stehe die Faktensammlung im Vordergrund, sagt Mabanza. In Schweden arbeite schon seit einigen Jahren die "Ethical Wine Trade Campaign", sagt seine Kollegin Simone Knapp. Mabanza berichtet, er habe von Grupppen gehört, die über einen Boykott nachdächten. Knapp plädiert für andere Protestformen, für Gespräche zwischen Gewerkschaftern und Farmern, für das Herausstellen positiver Beispiele. Nötig wäre eine europaweite Kampagne, sagen beide.
Boykott wäre schlecht
Auch viele Weinproduzenten in Western Cape, die das Fairtrade-Siegel tragen, seien "nicht besser als die anderen", sagt Mabanza. Das sieht Claudia Brück, Pressesprecherin von Fairtrade Deutschland, anders. "Es gibt klare Unterschiede", sagt sie. Zwar gebe es auch auf Farmen, die das Siegel tragen, noch "zu geringe Bezahlung und zu wenige Arbeiterrechte". Doch es seien "Schritte in die richtige Richtung zu erkennen". Derzeit seien 26 Weinproduzenten zertifiziert. Anfang 2014 habe Fairtrade die Standards hochgesetzt, die Farmer sollen nicht nur den Mindestlohn zahlen, sondern einen Plan vorweisen, wie sie zu "existenzsichernden Löhnen" kommen wollen, sagt Brück.
Es sei seit dem Ende der Apartheid vor 25 Jahren ein "langer, langer Weg", sagt Brück. Doch sie sei überzeugt, "dass unser Konzept langfristig funktionieren wird". Deshalb wäre ein möglicher Boykott aus ihrer Sicht "das Schlechteste, was man machen kann".