Endlich mal ein Film für Menschen, die glauben, alle Geschichten seien schon erzählt worden; und dann verpasst das ZDF der Komödie einen Titel, der nach Klamotte klingt und Freunde anspruchsvoller Fernsehunterhaltung eher abschrecken dürfte.
"Einer für alle, alle im Eimer" ist das erste verfilmte Drehbuch des österreichischen Theaterautors Stefan Vögel. Seine Geschichte basiert auf einer Idee von Hans Sigl und erzählt von drei Männern Mitte vierzig, die schon seit Kindheitstagen füreinander durch dick und dünn gehen. Als die Ehe von Ingo (Sigl) scheitert, nehmen Paul (Sebastian Bezzel) und Sebastian (Heiko Pinkowski) ihn selbstverständlich in ihre WG auf. Aber dann lässt sich Ingo zu einer Verzweiflungstat hinreißen, die für die Freundschaft des Trios eine echte Zerreißprobe darstellt: Weil er die Raten für sein Eigenheim nicht mehr aufbringen kann, droht die Zwangsversteigerung droht. In diesem Fall würde seine schwedische Ehefrau (Lisa Werlinder) mitsamt dem gemeinsamen Sohn nach Stockholm zurückzukehren. Also überfällt Ingo kurzerhand die von Sebastian geleitete Bankfiliale und raubt 200.000 Euro. Der Freund kann den Raub zwar vertuschen, aber natürlich nur vorübergehend. Rettung erhofft sich das Trio ausgerechnet vom Fernsehen: In dem Format "Ware Freundschaft" testet der Moderator Egon Schäfer (Simon Schwarz), bis zu welchem Punkt Freunde bereit sind, einander zu verzeihen sind. Die drei sind guten Mutes, haben allerdings keine Ahnung, dass Schäfers Team Jahrzehnte alte Leichen ausgräbt; und wie sich zeigt, haben Ingo, Paul und Sebastian ganz schön viele Geheimnisse voreinander. Eine Woche lang müssen sie durchhalten, um am Ende 300.000 Euro zu bekommen, aber Schäfer konfrontiert sie täglich aufs Neue mit Enthüllungen, die das gegenseitige Vertrauen zutiefst erschüttern.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Maurus vom Scheidt, auch er noch ziemlich unerfahren, konnte sich bei der temporeichen Umsetzung von Vögels Drehbuch vor allem auf seine drei spielfreudigen Hauptdarsteller verlassen; Sigl, Bezzel und Pinkowski passen prima zu ihren Figuren, funktionieren aber auch gerade als Ensemble ausgezeichnet. Trotzdem sind die Szenen am jeweiligen Arbeitsplatz ähnlich liebevoll und amüsant, weil sich das Verhalten der Kolleginnen und Kollege spürbar verändert, als das Privatleben der Freunde publik wird: Paul, Hausjurist einer Kosmetikfirma, bis dahin Hahn im Korb, wird mit eisiger Feindseligkeit empfangen, als die Öffentlichkeit dank "Ware Freundschaft" erfährt, dass er nichts anbrennen lässt. Ingo ist Lehrer und muss ebenso wie sein Sohn damit leben, dass das Kollegium und die Schüler erfahren, woran seine Ehe gescheitert ist: Seine Frau hatte eine Affäre; später kommt auch noch raus, mit wem, und spätestens jetzt hat der boshafte Schäfer offenbar sein Ziel erreicht.
Neben dem zentralen Trio sind auch die weiteren Rollen sehr gut besetzt. Schwarz, der legendäre "Inkasso-Heinzi" aus dem ORF-"Tatort", macht seine Sache als überzeichneter Moderator ganz wunderbar. Die Schwedin Lisa Werlinder hat schon ihrem ersten deutschen Film, "Freilaufende Männer" (2011), auf sich aufmerksam gemacht und war in "Borowski und der brennende Mann" (2013), einem "Tatort" aus Kiel, schlicht eine Wucht. Mindestens genauso entscheidend für die Qualität des Films ist jedoch der Einfallsreichtum des Drehbuchs, weil Vögel ständig neue Überraschungen zu bieten hat; auch am Schluss, als das Trio vor Gericht landet und in der Tat alles im Eimer zu sein scheint, holt er noch ein letzte verblüffendes Ass aus dem Ärmel.