3.10., ARD, 21.45 Uhr: "Die Klasse – Berlin ’61"
Das Dokudrama befasst sich mit einem Kapitel der deutsch-deutschen Geschichte, das alles mitbringt, was ein Autor braucht: Liebende werden getrennt, Träume werden zerstört, Existenzen vernichtet. Im Zentrum des Films steht zwar mit dem Tag des Mauerbaus am 13. August 1961 ein historisches Datum, doch geschildert werden die Vorfälle aus der Sicht von sechs Ostberliner Schülerinnen und Schülern, die eine Oberschule im westlichen Neukölln besuchen, weil die SED ihnen aus politischen Gründen das Abitur verwehrt. Die schriftlichen Prüfungen haben sie schon hinter sich; und dann wird die Grenze dicht gemacht. Der Film ist die übliche Mischung aus Spielszenen und Interviews, aber die vorzüglichen Rekonstruktionen sind weit mehr als bloß Erinnerungsillustrationen.
3.10., 3sat, 23.45 Uhr: "Die Brücke"
Bernhard Wickis Antikriegsdrama aus dem Jahr 1959 ist einer der Klassiker des hiesigen Nachkriegsfilms und gehört weltweit zu den populärsten deutschen Produktionen überhaupt. Wicki wurde quasi über Nacht berühmt und mit Preisen überhäuft; unter anderem war das Werk für einen "Oscar" nominiert, erhielt einen "Golden Globe", ein "Filmband in Gold", fünf weitere Bundesfilmpreise sowie den Preis der deutschen Filmkritik. Wie die gleichnamige Romanvorlage von Manfred Gregor erzählt Wicki vom idiotischen und strategisch völlig sinnlosen Befehl für eine Gruppe 16-Jähriger, in ihrem Heimatort kurz vor Kriegsende eine längst zur Sprengung vorgesehene Brücke um jeden Preis zu verteidigen. Nicht nur wegen der bewusst schwarzweißen, fast dokumentarisch gehaltenen Bilder finden junge Leute heute zunächst nur schwer Zugang zu dem Film. Wickis Kompromisslosigkeit sowie der selbstmörderische Aberwitz des jugendlichen Aktionismus’ aber verfehlen ihre Wirkung nicht.
4.10., ARD, 6.00 Uhr, 10.03 Uhr, 12.03 Uhr, 15.05 Uhr, 17.05 Uhr: "Deutschland. Dein Tag"
Die Dokumentation zeigt zum Auftakt der ARD-Themenwoche "Heimat" ab 6.00 Uhr zwölf Stunden lang Leben und Wirklichkeit an einem Tag in Deutschland: Wie sieht ein typischer Sonntag hierzulande aus? Was bedeutet der Tag den Menschen? Welche unterschiedlichen Traditionen und Rituale hat das Land im Norden, Osten, Süden und Westen? Zu diesem Zweck sind am 5. Oktober 2014 99 Menschen und ein Walross zwölf Stunden mit der Kamera begleitet worden: unterwegs, beim Familienausflug, beim Entspannen, Sport machen, Arbeiten, Putzen, Essen oder Feiern, auf dem Land und in der Stadt. "Deutschland. Dein Tag" ist als unterhaltsame, moderne Heimatgeschichte angelegt, soll aber auch als Momentaufnahme einen wesentlichen Beitrag zum kulturellen Gedächtnis kommender Generationen leisten. Zusätzlich zur Fernseh-Dokumentation gibt es unter www.DasErste.de/deintag ein ausführliches Online- Special mit Informationen zu allen beteiligten Protagonisten, vielen Videos und einem Deutschland-Quiz.
5.10., ARD, 20.15 Uhr: "Leberkäseland"
Anfang der Sechzigerjahre kommt eine fortschrittlich denkende türkische Familie aus der Weltstadt Istanbul ins beschauliche niederrheinische Moers. Das sei bestimmt ein Kulturschock gewesen, vermutet ein gönnerhafter Nachbar. Damit liegt er völlig richtig, aber anders, als er glaubt: Die begnadete Mathematikerin Latife (Neda Rahmanian) hat gerade als eine der ersten Frauen die Aufnahmeprüfung für die Technische Universität bestanden, als ihr Mann Burhan (Murathan Muslu) in Moers die Zahnarztpraxis seines Vaters übernehmen soll. Schockiert muss die Feministin und Atheistin erkennen, dass ihre neuen Mitbürgerinnen einem in ihren Augen mittelalterlichen Frauenbild entsprechen. Den Traum von der Karriere als Mathematikprofessorin kann sie ohnehin erst mal begraben. Nils Willbrandts Tragikomödie, in gewisser Weise das türkische Pendant zu Fatih Akins "Solino", basiert auf den mal heiteren, mal melancholischen Geschichten aus Lale Akgüns Buch "Tante Semra im Leberkäseland". Die frühere SPD-Politikerin schildert darin ihre Kindheit und Jugend.
6.10., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Ich lass’ die Sau raus"
Ausgerechnet im "Schweineland" Hohenlohe, rund um Schwäbisch Hall, stellt sich ein Bauer gegen den Trend. Der launige Titel der Reportage ist wortwörtlich gemeint: Während ringsumher am Rande der Dörfer riesige Hallen mit Hunderten, wenn nicht Tausenden von Tieren stehen, die niemals die Sonne sehen werden, lässt Landwirt Dietmar seine Schweine vor die Tür. Er stellt gerade auf "bio" um, und zumindest die Tiere finden das gut: Es gibt geräumige Holzbuchten für Säue und Ferkel, keine Spaltenböden mehr, dafür viel Liegefläche auf Stroh. Und vor allem: Auslauf ins Freie. Auf einem zweiten Hof ganz in der Nähe kämpft ein Ehepaar um eine gute Zukunft für seinen Familienbetrieb. Fünfzig Kühe, das reicht nur zum Leben, weil die beiden ihre unbehandelte Milch selbst abfüllen und vermarkten. Mehrmals in der Woche fahren sie die Flaschen zu Privatkunden und kleinen Naturkostläden in der näheren Umgebung. Ein anderer Teil der Milch geht an eine Biomolkerei. "37 Grad" hat die Landwirte ein halbes Jahr lang durch gute und schlechte Tage begleitet.
6.10., Sat.1, 20.15 Uhr: "Und weg bist Du"
Man weiß es aus vielen Geschichten: Der Tod hat’s auch nicht leicht. Es geht ihm wie allen Überbringern schlechter Nachrichten: Irgendwann beginnt er, unter der zwangsläufigen Flüchtigkeit seiner Begegnungen mit den Menschen zu leiden. Der Tod gewissermaßen in der Midlife-Krise: ein großartiger Komödienstoff. Aber Schriftstellerin und Drehbuchautorin Monika Peetz ("Die Dienstagsfrauen") geht noch einen Schritt weiter: Zu allem Überfluss muss sich der bedauernswerte Tod ausgerechnet jetzt verlieben. Schuhverkäuferin Jela hat Krebs im Endstadium, will aber unbedingt noch den nächsten Geburtstag ihrer kleinen Tochter erleben. Prompt umschleicht der Tod Jela wie eine Katze den heißen Brei, weil er es nicht übers Herz bringt, seinen Job zu erledigen. Christoph Maria Herbst und Annette Frier sind eine wunderbare Besetzung für dieses romantische Paar.
6.10., Arte, 20.15 Uhr: "Europa und die Flüchtlinge"
Aus aktuellem Anlass hat Arte sein Programm geändert und präsentiert nun den Themenabend "Europa und die Flüchtlinge". Den Auftakt macht die Dokumentation "Flucht aus Afghanistan". Claire Billet und Olivier Jobard, die sich schon lange mit den afghanischen Exilbewegungen auseinandersetzen, begleiten die Afghanen Jawid, Rohani, Fawad, Khyber und Luqman auf ihrer Odyssee nach Europa. Gemeinsam überwinden sie 12.000 Kilometer und sechs Grenzen, die immer auch kulturelle Barrieren sind, denn sie bedeuten neue Sprachen und andere, den afghanischen Gepflogenheiten radikal entgegengesetzte Lebensweisen. Zum ersten Mal erblicken die jungen Afghanen das Meer, sie sehen Mädchen in Miniröcken, Cafés und Wolkenkratzer. Ein rauschhaftes Erlebnis, bei dem die Fernsehbilder plötzlich Wirklichkeit werden. Den weiteren Programmablauf bildet eine "lange Nacht" mit Reporten und Dokumentationen, unter anderem "Quote, nein Danke" um 21.45 Uhr über die Lage in Osteuropa und "Wohin mit den Flüchtlingen?" um 22.25 Uhr.
7.10., ARD, 20.15 Uhr: "Blütenträume"
Das tragikomische Drama erzählt von Menschen im "biografischen Niemandsland". So nennt der Dramatiker Lutz Hübner, auf dessen gleichnamigem Stück Paul Harathers Film basiert, die Zeit zwischen Berufsalltag und Greisenalter. Die Geschichte handelt von sieben einsamen Singles, die einen Flirtkurs der Volkshochschule besuchen. Mit Ausnahme einer jüngeren Frau sind sie alle jenseits der fünfzig. Der Seminarleiter ist allerdings gerade mal halb so alt, und seine Methoden gefallen den Teilnehmern auch nicht. Schließlich kommt es zum Aufstand, die Gruppe setzt den jungen Mann vor die Tür und entwirft bei einem feuchtfröhlichen Abend einen verwegenen Plan. Leider ist der Traum bei Licht und nüchtern betrachtet zu schön, um wahr zu sein. Das Ensemble ist vorzüglich zusammengestellt, die Dialoge sind von zum Teil herzerfrischender Absurdität, aber es ist vor allem die Führung der Darsteller, die "Blütenträume" zu einem herausragenden Fernsehfilm macht. Die Bildgestaltung sorgt zudem dafür, dass der Film nie wie ein abgefilmtes Theaterstück wirkt.
7.10., 3sat, 20.15 Uhr: "Schwabenkinder"
Bis weit ins vergangene Jahrhundert hinein wurden Kinder aus Tirol und Vorarlberg von Frühjahr bis Herbst als billige Arbeitskräfte in die Bodenseeregion vermietet. Nur wenige hatten das Glück, zu barmherzigen Herrschaften zu kommen. Die meisten landeten auf einem Bauernhof, wo sie von Sonnenaufgang bis zur Dämmerung für Kost und Logis schuften mussten. "Schwabenkinder" von Jo Baier erzählt die Geschichte des achtjährigen Kaspar aus Tirol, dessen Vater (Vadim Glowna) unverschuldet in Not gerät: Mit ihren Näharbeiten hatte seine Frau die Familie des armen Bauern über Wasser gehalten. Als sie von einer Lawine begraben wird, sieht der Vater keine andere Möglichkeit, als den Jungen unter der Obhut des so genannten Kooperators (Tobias Moretti) auf den beschwerlichen Weg nach Ravensburg zu schicken. Baier, bekannt für seine Fähigkeit, das Landleben von einst in erlesen fotografierten Heimatfilmen der etwas anderen Art ("Wildfeuer", "Hölleisengretl" "Der Laden") höchst authentisch zum Leben zu erwecken, erzählt auch diese traurige Geschichte mitunter fast dokumentarisch und vermeidet simple Schuldzuweisungen.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
8.10., WDR Fernsehen, 22.30 Uhr: "Menschen hautnah"
Eine Frau aus Hagen erkennt, dass ihre an Parkinson erkrankte Mutter nicht mehr alleine leben kann, weil die Pflege immer aufwändiger wird. Ein Altenheim kommt nicht in Frage, zu sehr fürchtet sie, dass die Mutter dort nicht gut genug versorgt wird. Also entschließt sie sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie sucht eine Wohnung in der Innenstadt sowie zwei ältere Mitbewohnerinnen und gründet für ihre Mutter eine Senioren-WG, inklusive einer Rund um die Uhr-Betreuung durch Pflegekräfte. Das Modell ist so erfolgreich, dass kurz drauf eine zweite WG im selben Haus und später eine dritte entstehen. "Menschen hautnah" hat die Hagenerin bei der Gründung dieser dritten WG begleitet. Mehr und mehr wird ihr Einsatz für die alten Bewohner zu einem Fulltime-Job: mal ist eine Krankenkasse mit dem Pflegegeld für eine der Seniorinnen im Rückstand, mal droht die Stadt mit neuen Auflagen.
9.10., ARD, 20.15 Uhr: "Heimat ist kein Ort"
In dieser Tragikomödie müssen sich drei Geschwister zusammenraufen, wenn sie das Erbe ihres Vaters antreten wollen. Der letzte Wille des Verstorbenen schickt sie auf eine Reise ins einstige Ostpreußen; dort sollen sie seine Asche an den wichtigsten Stätten seiner Kindheit verstreuen. Die Sache hat nur einen Haken: Inge (Marie Gruber), Klaus (Jörg Schüttauf) und Uwe (Sönke Möhring) sind einander bestenfalls gleichgültig; genau genommen können sie sich nicht leiden. Einzig Inge, die Älteste, fühlt sich dem Vater verbunden; die beiden Männer haben ihm dagegen bis heute nicht verziehen, dass er sie als Kinder nach dem Tod der Mutter in ein Heim abgeschoben hat. Dass es Regisseur Udo Witte dennoch gelingt, diese von ihrer Biografie zermürbten Figuren nach und nach zu Menschen werden zu lassen, mit denen man Mitgefühl empfindet, ist eine bemerkenswerte Leistung, zu der die drei ausgezeichneten Hauptdarsteller natürlich ihren Teil beitragen.