"Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren", steht unter Artikel 13 der UN-Menschenrechtscharta. Dieses Recht ist auch als das "Recht auf Freizügigkeit" bekannt. Soweit die Theorie.
In der Praxis folgt darauf recht häufig ein "aber". Deutsche Staatsbürger sind, was Freizügigkeit anbelangt, privilegiert. Innerhalb Deutschlands ist die Freizügigkeit durch Artikel 11 des Grundgesetzes garantiert. Ein Deutscher kann sich also aussuchen, wo er innerhalb des Bundesgebietes leben will. Diese Bewegungsfreiheit kann nur durch wenige Ausnahmen, etwa zur Verhütung von Straftaten, bei Naturkatastrophen oder einer drohenden Epidemie, eingeschränkt werden.
EU-Bürger dürfen in jedem Mitgliedsstaat arbeiten
Auch alle Bürger der Europäischen Union genießen innerhalb der Mitgliedsstaaten sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen Freizügigkeit. Das heißt, sie dürfen mit ihren Familienmitgliedern in jedes dieser Länder ohne Visum einreisen. Außerdem dürfen sie dort arbeiten (Arbeitnehmerfreizügigkeit) und zu diesem Zweck dorthin ziehen. Sie erhalten dann die gleichen Sozialleistungen sowie Steuervorteile wie ein vollwertiger Staatsbürger. Denn innerhalb der EU gilt auch die Niederlassungsfreiheit. Aber auch dieses Recht unterliegt Einschränkungen. Die ersten drei Monate ist der Aufenthalt bedingungslos möglich. Danach muss eine Existenzsicherung, etwa durch Erwerbstätigkeit oder ein entsprechendes Vermögen, nachgewiesen werden. Innerhalb des Schengen-Raums ist es zudem möglich ohne oder mit beschleunigten Grenzkontrollen zu reisen.
Schwieriger wird es mit der Freizügigkeit außerhalb der EU. Der Freizügigkeitsartikel in der Menschenrechtscharta gestattet zwar die Ausreise aus jedem Land und die Wiedereinreise ins Heimatland, nicht aber die Einreise in ein anderes Land. Dazu ist für viele Menschen zusätzlich zum Reisepass ein Visum notwendig. Für die Einreise nach Deutschland benötigen zum Beispiel Menschen aus Nicht-EU-Staaten wie Iran, Peru oder auch Indien ein Visum. Bewohner mancher Nationen sind bei einem Aufenthalt von bis zu 90 Tagen von der Visumspflicht entbunden. Eine Liste ist auf der Seite des Auswärtigen Amtes zu finden.
Visa sind meistens an Bedingungen geknüpft. Antragssteller müssen glaubhaft versichern, dass sie für die Dauer ihres Aufenthaltes finanziell für sich selbst aufkommen können, eine Reisekrankenversicherung besitzen und planen in ihr Heimatland zurückzukehren. Gerade für Menschen aus ärmeren Staaten oder instabilen Ländern wie Syrien oder Somalia ist es daher schwierig, auf regulärem Weg in andere Länder einzureisen.
Daher sehen sich viele Menschen gezwungen zu fliehen und im Zielland Asyl zu beantragen. Nach Artikel 26 der Genfer Flüchtlingskonvention steht es Flüchtlingen frei, ihren Aufenthaltsort im Zielland zu wählen. Bis Ende 2014 galt in Deutschland für die Dauer des Verfahrens die sogenannte Residenzpflicht, die Asylbewerbern vorschrieb ein bestimmtes Bundesland oder einen Regierungsbezirk nicht zu verlassen. Diese Regelung hat der Bundestag im Dezember 2014 gekippt. Seit Januar 2015 dürfen sie sich nach drei Monaten Aufenthalt frei im Bundesgebiet bewegen.
Ein deutscher Pass öffnet die meisten Türen
Mit einem deutschen Reisepass ist es möglich, über 170 der weltweit 219 Staaten und Territorien mit eigenen Einreisebestimmungen zu betreten, ohne vorher ein Visum zu beantragen. Deutschland steht damit neben Großbritannien, den USA, Finnland und Schweden an der Spitze der Länder, deren Bürger weitgehende Reisefreiheit genießen. Doch auch deutsche Staatsbürger können nicht überall hin. In manchen Fällen ist die Einreise ohne Visum für einen Zeitraum von 90 Tagen möglich, etwa in Argentinien. Danach ist eine Verlängerung nötig.
Bei einer Reise nach Tansania ist es möglich, ein Touristenvisum für die Dauer von drei Monaten am Zielflughafen zu beantragen. Für die Einreise nach China, Russland oder Algerien muss das Visum bereits vor der Abreise vorliegen. Um nach Saudi-Arabien zu gelangen benötigen Deutsche sogar eine Einladung, um überhaupt ein Visum beantragen zu können. Eine unverbindliche Auskunft findet sich auf der Seite des Auswärtigen Amtes. Detaillierte Informationen können Reisende bei den Konsulaten der jeweiligen Zielländer erfragen, da sich die Einreisebedingungen oft auch kurzfristig ändern.
Kaum Freizügigkeit in Nordkorea
Am wenigsten mobil sind Bürger aus Ländern wie Afghanistan, Somalia, dem Irak oder Syrien. Das geht aus dem Visa Restriction Index der Firma Henley & Partners, einer der weltweit führenden Firmen in der Niederlassungs- und Passbeschaffung, hervor. In Extremfällen, wie etwa in Nordkorea, ist die Freizügigkeit allgemein stark eingeschränkt. Amnesty International zufolge ist es den Einwohnern Nordkoreas kaum möglich, sich innerhalb des Landes frei zu bewegen, geschweige denn auszureisen. Regelmäßig werden Nordkoreaner, die nach China fliehen, wieder zurückgeschickt.
Doch nicht nur in Ländern, die ohnehin eine schwierige Menschenrechtslage haben, ist das Recht auf Freizügigkeit beschnitten. Selbst Australien schränkte mit neuen Anti-Terror-Gesetzen das Recht auf Freizügigkeit für Flüchtlinge ein, wie Human Rights Watch und Amnesty International kritisieren.