Die Grundzüge der Handlung erinnern stark an das Ehedrama "Du bist dran", das die ARD vor fast genau zwei Jahren ausgestrahlt hat. Die personelle Konstellation ist identisch: Ärztin Christine (Christiane Paul) ernährt die Familie, Ehemann Konrad (Charly Hübner), Theaterregisseur, kümmert sich als Hausmann um die beiden Töchter. Als er das Angebot bekommt, Friedrich Hebbels "Nibelungen" zu inszenieren, engagiert das Paar ein argentinisches Au-pair-Mädchen. Die junge Frau (Clara Lago) entpuppt sich allerdings als schwanger und ist daher nicht belastbar. Weil sich auf die Schnelle kein Eratz besorgen lässt, bricht das Lebensmodell der Familie quasi über Nacht in sich zusammen: Christine, ohnehin öfter in der Klinik als zuhause, möchte gern Oberärztin werden und hält ihre Arbeit, bei der es um Leben und Tod geht, auch für wichtiger als Konrads Selbstverwirklichung. Der wiederum bezeichnet sie als egoistisch und zieht kurzerhand ins Theater. Nach nur zwei Tagen ist jeder mit jedem verkracht.
Von der Idylle zum Fiasko
Robert Thalheim, bekannt geworden durch seinen Auschwitz-Film "Am Ende kommen Touristen", baut zunächst eine ordentliche Fallhöhe auf, damit seine beiden Hauptfiguren schließlich umso schmerzhafter scheitern. Am Anfang macht das Paar einen ausgesprochen zufriedenen Eindruck. Konrad ist ein Vorzeigevater, um den Christine von allen anderen Frauen beneidet wird; die Auftaktszene mit dem gutmütigen Riesen inmitten der Kinderschar zeigt pure Idylle. Die beiden Töchter vergöttern ihn derart, dass die Mutter das Trio als verschworene Gemeinschaft empfindet, zu der sie keinen Zutritt hat. Entsprechend frustriert reagiert sie, als ihre Versuche, den Haushalt zu führen, zu einem Fiasko führen: Die Mädchen tanzen ihr auf der Nase rum, das Essen schmeckt miserabel, und ihre Versuche, den Alltag zu organisieren, enden kläglich.
Geschickt vermeidet das Drehbuch, das Thalheim gemeinsam mit Jane Ainscough ("Miss Sixty") geschrieben hat, eine Schuldzuweisung. Wenn Christine davon ausgeht, dass Konrad schon eine Lösung finden werde, geschieht das eher aus Gewohnheit, schließlich hat er bislang immer einen Ausweg gewusst; und dass sie im Krankenhaus nicht von heute auf morgen alles stehen und liegen lassen kann, ist durchaus nachvollziehbar. Auch Konrads Auszug wirkt nicht selbstsüchtig; dass er nach vermutlich zehnjähriger Theaterabstinenz keine Ablenkung brauchen kann, ist gleichfalls verständlich. In "Du bist dran" war diese Gratwanderung nicht so gelungen, zumal die Frau hier von vornherein die schlechteren Karten besaß, nachdem sie über den Kopf ihres Gatten hinweg eine existenzielle Entscheidung getroffen hatte.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Was an "Eltern" jedoch am meisten imponiert, ist die Führung der Darsteller. Natürlich kann man mit Christiane Paul und Charly Hübner nicht viel verkehrt machen, aber beide verkörpern die Christine und Konrad eben auch vielschichtig genug, um nicht automatisch als der Gute und die Böse zu erscheinen. Ein echter Knüller aber sind die Kinder. Für das jüngere der beiden Mädchen (Emilia Pieske) war die Herausforderung vermutlich noch größer. Der Wandel vom Sonnenschein zur Nervensäge dürfte ihm nicht schwer gefallen sein, aber die Alltagssituationen etwa in einem Wartezimmer oder im Supermarkt wirken unangenehm authentisch.
Dem älteren Mädchen gebührt Respekt ganz anderer Art: Die filmerfahrene Parashiva Dragus muss sich als frühreife zehnjährige Tochter, die ihre Mutter nach Konrads Auszug permanent provoziert, vor allem bei ihren Dialogen bewähren, was ihr mit Bravour gelingt. Besondere Erwähnung verdient auch die Bildgestaltung, weil Henner Besuch mit seiner Handkamera dafür sorgt, dass man immer mitten im Getümmel ist.