Sachsen bekommt am Samstag einen neuen evangelischen Landesbischof. Mit dem Übergang von Jochen Bohl (65), der in den Ruhestand tritt, zum 47-jährigen Carsten Rentzing wird mehr als nur ein Generationswechsel vollzogen: Bohls Stellungnahmen zu kirchlichen und gesellschaftlichen Fragen waren von liberaler Haltung geprägt. Rentzing hat sich bisher deutlich im theologisch konservativen Spektrum positioniert, etwa im Streit um die Frage, ob schwule und lesbische Theologen gemeinsam mit ihren Partnern im Pfarrhaus leben dürfen. Nun rückt der Gemeindepfarrer aus dem Vogtland an die Spitze aller sächsischen Protestanten. Seine Amtseinführung wird von kritischen Stimmen begleitet.
Die Synode hatte sich am 31. Mai erst im sechsten Wahlgang mit 40 von 78 Stimmen denkbar knapp für den Kandidaten von der Gemeindebasis entschieden: Der gebürtige Berliner war bisher Pfarrer im vogtländischen Markneukirchen und zuvor lange Jahre in Annaberg-Buchholz im Erzgebirge. Nun wird er in der Dresdner Kreuzkirche feierlich in sein Amt eingeführt und Vorgänger Bohl in den Ruhestand verabschiedet.
Was den alten und den neuen Bischof eint, ist die Sorge um die Einheit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Diese schien zeitweise in Gefahr. Denn die mit pietistischen Strömungen durchzogene Kirche stritt jahrelang erbittert um Homo-Paare im Pfarrhaus. Erst im Frühjahr wurde die Kontroverse in der Synode offiziell beendet. Doch die Gräben sind gezogen. Nicht nur das knappe Wahlergebnis teilte die Landeskirche quasi in zwei Hälften. Den Liberalen stand die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. Synodenpräsident Otto Guse setzte noch eins drauf: Nicht alle hätten Rentzing "aus Überzeugung gewählt".
Rentzing betonte, dass er Bischof der gesamten Landeskirche sein werde - auch für "die, die skeptisch sind". Die Kritiker begleiten den Amtsantritt unter anderem mit einer Online-Petition. Den schwer errungenen Kompromiss im Pfarrhausstreit stellt Rentzing nicht in Frage: "Das gehört zu der Last, die ein Bischof tragen muss", sagte er der Zeitung "Die Welt". Man stehe dann für Dinge ein, "bei denen man teilweise theologisch anderer Auffassung sei". Seine eigene Auslegung bekräftigte er eine Woche vor der Wahl: "Die Bibel sagt, dass die homosexuelle Lebensweise nicht dem Willen Gottes entspricht."
Ein "fröhlicher Lutheraner"
Gemeindemitglieder sagen über Rentzing, er könne verschiedene Sichtweisen ins Boot holen. Das wird er brauchen, denn nicht nur durch die evangelischen Christen zieht sich in Sachsen ein Riss. Das Thema Pegida hat in den vergangenen Monaten Spaltungen in der Gesellschaft deutlich gemacht, und auch die Flüchtlingsfrage hat sich auch im Freistaat zugespitzt. Es bleibt abzuwarten, wo Rentzing Akzente setzt.
Drängend bleiben auch die angestoßenen Veränderungen in der Kirche selbst. Sicher ist, dass der neue Bischof Strukturreformen fortsetzen muss. Die Mitgliederzahl der Landeskirche ist auf rund 740.000 gesunken. Der promovierte Rentzing, der sich selbst als "fröhlichen Lutheraner" bezeichnet, will nach eigenen Aussagen die Öffentlichkeit suchen. Seine Kraft nimmt der Vater von vier Kindern aus dem stillen Gebet: Bisher zog er sich dafür wenigstens einmal am Tag in die Markneukirchner Nikolaikirche zurück. Oft war er dabei allein - ganz in der Stille. Das dürfte sich nun ändern. Rentzings neues Büro ist nur wenige Schritte von der Dresdner Frauenkirche entfernt. Einsamer Beter dürfte er in dem stark besuchten Gotteshaus nicht mehr sein.