TV-Tipp: "Uli Hoeneß - Der Patriarch" (ZDF)

TV-Tipp: "Uli Hoeneß - Der Patriarch" (ZDF)
27. August, ZDF, 20.15 Uhr
Die Faszination dieser Biografie liegt auf der Hand. Ein begabter Fußballer, Weltmeister und Europapokalsieger, muss seine aktive Laufbahn vorzeitig beenden, wird Manager und macht aus seinem Club einen Weltverein.

Er scheut keine Auseinandersetzung und wählt stets knallharte klare Worte; seine Anhänger verehren ihn, bei seinen Gegnern ist er regelrecht verhasst. Und dann, auf der Höhe des Ruhms, der jähe Absturz: Ein Prozess wegen Steuerhinterziehung in kaum vorstellbarer Höhe endet mit einer mehr als dreijährigen Gefängnisstrafe.

Die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte hat schon einige herausragende Werke geschaffen; eines der besten Dokudramen überhaupt war das dreiteilige Epos "Die Wölfe" (2008), die über Jahrzehnte hinweg erzählte Geschichte dreier Berliner Jugendfreunde. Mit dem Film über den Aufstieg und vor allem den Fall von Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat sich die Redaktion an einen der aktuell wohl interessantesten zeitgenössischen deutschen Stoffe gewagt. Das Sujet ist nicht zuletzt deshalb eine Herausforderung, weil kaum ein Ereignis der letzten Jahre über einen vergleichbar langen Zeitraum für derart viel Aufsehen gesorgt hat. Entsprechend groß ist die potenzielle Fallhöhe des Films, der dem Genre entsprechend aus einer Mischung aus Spielszenen, dokumentarischem Material und Interviews besteht.

Mitunter etwas hölzern...

Meist sind es die szenischen Rekonstruktionen, die die Schwachstelle solcher Produktionen darstellen. Deshalb war "Die Wölfe" auch eine große Ausnahme: Regie führte mit Friedemann Fromm kein Dokumentarist, sondern ein vielfach ausgezeichneter Filmregisseur. Bei "Uli Hoeneß – Der Patriarch" ist das nicht der Fall; die Filmografie von Christian Twente enthält gelungene dokumentarische Mehrteiler wie "Die Deutschen", aber eben keine Spielfilme. Prompt wirken gerade die Ausflüge in die Vergangenheit mitunter etwas hölzern; selbst ein erfahrener Schauspieler wie Robert Stadlober bringt für die schon in jungen Jahren überlebensgroße Figur des Managers nicht genug Format mit.

Herz- und Prunkstück des wohltuend sachlichen Films aber ist ohnehin der Prozess. Thomas Thieme mag Uli Hoeneß nicht mal flüchtig ähneln und versucht auch gar nicht erst, das unverkennbare Idiom des Schwaben zu kopieren, aber er hat eine gewaltige physische Präsenz, die sich mit der des Bayern-Bosses ohne weiteres messen kann. Während Thieme zum Prozessauftakt eine lange biografisch geprägte Erklärung verliest, rekonstruiert der Film Hoeneß’ Werdegang: von den jungen Jahren in der elterlichen Metzgerei über die ersten Erfolge als Profi und schließlich die unvergleichliche Karriere als Manager des FC Bayern. Die zweite Hälfte beschäftigt sich überwiegend mit seinen Börsenzockereiein, der überstürzten Selbstanzeige und schließlich seiner Verhaftung.

Das Drehbuch (Mitarbeit: Johanna Behre) stammt von Juan Moreno, der eine ausgezeichnete Hoeneß-Biografie geschrieben hat, und Gerichtsreporterin Annette Ramelsberger, die auch selbst auftritt und aus ihrer Sicht den Prozesshergang schildert. Bei der Auswahl der Interviewpartner wurde auf eine gewisse Ausgewogenheit geachtet. Erklärte Hoeneß-Gegner wie Willi Lemke, der frühere Manager von Werder Bremen, kommen ebenso zu Wort wie Sympathisanten und Freunde. Nicht alle Beiträge tragen allerdings zur Wahrheitsfindung bei. Ohnehin ist oft mehr Masse als Klasse im Spiel (Reiner Calmund, Waldemar Hartmann). Viel interessanter sind die Schilderungen von Autoren, die sich intensiv mit dem Phänomen Hoeneß beschäftigt haben, darunter Dietrich Schulze-Marmeling, der mehrere Bücher über den FC Bayern geschrieben hat, oder Thilo Komma-Pöllath, ebenfalls Verfasser einer lesenswerten Hoeneß-Biografie. Erst recht reizvoll in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen eines ehemaligen Investmentbankers, der erklärt, wie das Zocken an der Börse funktioniert. Repräsentanten des FC Bayern München wollten sich dagegen offenbar nicht äußern.