Kapitel 5: Auf dem Weg zur digitalen Zivilgesellschaft

Kapitel 5: Auf dem Weg zur digitalen Zivilgesellschaft
Das Netz als sozialer Raum: Kommunikation und Gemeinschaft im digitalen Zeitalter
Dieses Impulspapier will ein Beitrag der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) zur Zivilisierung der digitalen Welten sein.
25.08.2015
Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern
A. Filipovi?, J. Haberer, R. Rosenstock, I. Stapf, S. Waske, T. Zeilinger

Die ELKB versteht sich, wie andere Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), als Agentur von Kommunikation und – insbesondere seit der Reformation – als Unterstützer einer freien und partizipativen Kommunikation. Unter den Leitbegriffen "Beteiligung und Befähigung" soll ein Beitrag zur Zivilisierung des sich neu eröffnenden sozialen Raums geleistet werden. Dabei setzt sich die ELKB für die Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ein und unterstützt alle Gruppen, die den Bürger und Nutzer als Souverän seiner Daten verstehen. Eine Nutzung von Daten, die zur Einschränkung elementarer Freiheitsrechte, zur Manipulation oder zur Infragestellung des Gemeinwesens führt, ist zu verhindern.

Die ELKB unterstützt alle Bemühungen, welche die Qualität der Information in Deutschland und Europa erhalten und verbessern wollen. Multiperspektivisch recherchierte, faire und wahrhaftige Information ist für eine Gesellschaft ebenso wichtig wie sauberes Wasser. Die viralen Verbreitungsmöglichkeiten der digitalen Welt, die oft in eine Verunklarung der Informationslage münden, zwingen die Zivilgesellschaft, journalistische Qualitätsmarken wie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu stützen und weiterzuentwickeln.

Weiter setzt sich die ELKB für eine Kultur der Wertschätzung kreativer Kräfte ein und wendet sich gegen die generelle Kriminalisierung rund um die Fragen des geistigen Eigentums. Im Urheberrecht sollten neue Wege gefunden werden.

Außerdem setzt sich die ELKB für die Arbeit an der Kommunikationskultur ein: Das betrifft die Wertschätzung, den Respekt und die Wahrung der Würde des anderen und wendet sich gegen die fortschreitende Tribunalisierung, die bisweilen in einen medialen Pranger mündet.

Eine Kultur des Neuanfangs und der Möglichkeit, in der Umkehr ein anderer zu werden, ist ein zutiefst christliches Anliegen. Die ELKB regt an, über eine Kultur der öffentlichen Vergebung nachzudenken.

Die Kirche besteht – gerade im Licht der digitalen Überwachungsmöglichkeiten – aus der Mitte der christlichen Verkündigung heraus auf dem Menschenrecht auf ein Geheimnis. Der zunehmenden Transparenzforderung an den Einzelnen, einhergehend mit undurchschaubaren und unkontrollierten Überwachungsaktionen von staatlichen Stellen, aber auch interessierten Unternehmen, muss mit den Mitteln der Politik Einhalt geboten werden.

Die ELKB möchte im Medienjahr der Reformation die Wahrnehmung der Bürger und Christen im Hinblick auf Chancen und Gefahren der digitalen Kommunikation schärfen und stärken. Dabei verpflichtet sie sich selbst, im Rahmen ihrer haushalterischen Möglichkeiten, in ihrer Gemeinde- und Bildungsarbeit, die Themen der (digitalen) Kommunikation zu einem Bildungsschwerpunkt zu machen.

Der Auftrag, das Evangelium zu kommunizieren, ist zugleich der Auftrag, an einer Kultur der Wertschätzung und des Respekts, der Vergebung und der Möglichkeit des Neuanfangs mitzuarbeiten sowie sich für die Wahrhaftigkeit gesellschaftlicher Information starkzumachen.

In diesem Sinn setzt sich die ELKB für eine Zivilisierung der digitalen Welten ein – mit politischen und juristischen Mitteln, aber auch mit dem gemeinsamen Nachdenken darüber, in welcher Kommunikationskultur wir leben wollen.