Als Thema taucht der Afghanistan-Einsatz immer wieder in Fernsehfilmen auf, weil die Dramen über traumatisierte Kriegsheimkehrer mittlerweile fast ein eigenes Genre bilden. Eine Geschichte, die sich dezidiert damit auseinandersetzt, wie deutsche Soldaten die Sicherheit ihrer Heimat am Hindukusch verteidigen, hat es bis zur Erstausstrahlung dieses Films vor drei Jahren jedoch nicht gegeben; mit "Eine mörderische Entscheidung", der Rekonstruktion der Ereignisse in Kunduz, hat die ARD 2013 den definitiven Afghanistanfilm drehen lassen.
Auch "Auslandseinsatz" verzichtet auf jede Form von Verpackung oder Ausflüchte: Die Hauptfiguren und mit ihnen die Zuschauer kommen nicht einen Moment auf die Idee, dass der Ausflug nach Südasien eine vergnügliche Spritztour sein könnte. Geschickt stellen Grimme-Preisträger Holger Karsten Schmidt ("Mörder auf Amrum") und Koautorin Nikola Bock zudem einen Konflikt ins Zentrum, den jeder nachvollziehen kann, denn die Gewissensfrage, mit der die Soldaten in Afghanistan konfrontiert werden, droht die Freundschaft von Ronnie (Hanno Koffler) und Daniel (Max Riemelt) zu zerstören: Der eine will eingreifen, als die Taliban ein Mädchen und eine Entwicklungshelferin (Bernadette Heerwagen) verschleppen, der andere will sich, den Befehlen entsprechend, raushalten. Am Ende siegt zwar die Moral, doch das ändert nichts am grundsätzlichen Dilemma: Die Bundeswehrangehörigen mögen mit den besten Absichten nach Afghanistan gekommen sein, und vielleicht tragen sie sogar zu einer Lösung bei; aber sie sind auch Teil des Problems.
Ein Gefühl größtmöglichster Authentizität
Die größte Leistung von Regisseur Till Endemann ("Flug in die Nacht – Das Unglück von Überlingen") bestand womöglich darin, das Gefühl größtmöglicher Authentizität herzustellen. Wie gut ihm das gelungen ist, kann nur jemand beurteilen, der selbst in Afghanistan war, aber es wirkt alles sehr überzeugend: die Landschaft (gedreht wurde in Marokko), die Einheimischen, die Konflikte zwischen den friedlichen Bürgern und den despotischen Taliban, die verschiedenen Haltungen der Soldaten. Nicht minder interessant als die beiden Protagonisten ist Omar El-Saeidi als Emal, ein gebürtiger Afghane, der in Deutschland aufgewachsen ist, nun als Soldat zu seinen Wurzeln zurückkehrt und prompt zwischen alle Stühle gerät.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Ähnlich reizvoll ist die Figur des zwischen Tradition und Moderne hin- und hergerissenen Bürgermeister (Vedat Erincin) des Ortes, in dem Daniels Trupp die durch eine US-Drohne zerstörte Schule wiederaufbauen soll. Mehr als bloß eine Abrundung des Personals ist Devid Striesow als Kommandeur des Außenpostens, der als Privatperson große Anerkennung für die Eigenmächtigkeit seiner Untergebenen empfindet, die Befehlsverweigerung aber dennoch bestrafen muss.
Äußerst gewöhnungsbedürftig ist allerdings die pseudodokumentarische Bildgestaltung: Endemann und sein bevorzugter Kameramann Lars R. Liebold haben sich an amerikanischen Vorbildern wie Kathryn Bigelows "Oscar"-prämiertem Irakfilm "Tödliches Kommando - The Hurt Locker" orientiert, weshalb sich ständig die Einstellungsgröße ändert oder das Bild ruckartig aus der Totale in die Halbtotale wechselt. Die auf diese Weise vermittelte Unruhe mag zwar dem permanent angespannten psychischen Zustand der Soldaten entsprechen, nervt auf Dauer jedoch.