Vordergründig funktioniert der Film wie ein Krimi, aber im Grunde erzählt "Herzversagen" gleich zwei Dramen: Eine völlig übermüdete Ärztin schickt einen quengelnden Patienten wider besseres Wissen nach Hause. Als der Mann einen Schlaganfall erleidet, lässt die Krankenhausleitung ihre Angestellte fallen; die außergerichtliche Einigung kostet Ellen viel Geld. Sie kündigt, übernimmt eine Dorfpraxis irgendwo vor den Toren Hamburgs und hat ein weiteres Erlebnis, das sie an ihren medizinischen Fähigkeiten zweifeln lässt: Übers Wochenende stirbt ein offenkundig kerngesunder Gärtner, den sie freitags noch untersucht hatte, an Herzversagen. Alls sie rausfindet, dass der Notarzt den Totenschein nach sehr oberflächlicher Untersuchung ausgestellt hat, drängt sie auf eine Obduktion, doch die Witwe lehnt ab.
Kein Krimi, sondern Tragödie?
Als Maria Simon für diese Rolle besetzt wurde, hatte man beim ZDF oder bei Produktionsfirma filmpool womöglich "Kongo" vor Augen. Die Filme mögen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, aber in beiden Geschichten geht es um einen Todesfall, der bei näherem Hinschauen Fragen aufwirft. In "Kongo" spielte Simon eine Militärpolizistin, die sich in den Suizid eines Soldaten verbeißt; in "Herzversagen" entnimmt die Ärztin dem Toten heimlich eine Gewebeprobe und findet raus, dass der Mann mit einem Pflanzenschutzmittel vergiftet worden ist. Aber das ist noch längst nicht das Ende der Geschichte, denn eigentlich ist "Herzversagen" allen kriminalistischen Elementen zum Trotz kein Krimi, sondern eine Tragödie.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dagmar Hirtz hat das Drehbuch mit großer Ruhe umgesetzt. Die Hauptfigur wird ausführlich eingeführt. Es ist der rätselhafte Todesfall, der das Genre vorgibt, und nicht etwa die Inszenierung; und bis dahin stehen ohnehin die aus vielen Landarztfilmen bekannten Vorbehalte der Dorfbewohner gegenüber der neuen jungen Ärztin im Zentrum. Die Zeichnung der Figuren und die gewissermaßen lauernde Inszenierung deuten allerdings schon früh an, dass in dem Dorf etwas nicht stimmt. Ein Reiz des Films liegt gerade auch in der Besetzung der Nebenfiguren. Katrin Pollitt zum Beispiel verkörpert Ellens schmallippige Sprechstundenhilfe wie eine Variation der Kunstfigur Frau Jaschke (Jutta Wübbe), Jan Georg Schütte ist wie schon in einem "Polizeiruf" aus Rostock ("... und raus bist du!") ein wunderbar kauziger Verdächtiger, und dass Charly Hübner in einer Art Gastrolle als Ortsvorsteher und Schwager der Witwe mitwirkt, ist fast schon ein Spiel mit den Erwartungen der Zuschauer.