Zwischen 1979 und 1985 war Lohse als Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und damit der höchste Repräsentant des deutschen Protestantismus. 17 Jahre lang, von 1971 bis 1988, stand er zudem an der Spitze der größten deutschen Landeskirche, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers.
Der Hanseat steuerte die evangelische Kirche durch stürmische Zeiten. Friedensdemonstranten protestierten auch auf Kirchentagen lautstark gegen Atomraketen und erschienen auch vor EKD-Synoden. Auf der anderen Seite erhoben Konservative ihre Stimme. Lohse suchte mit beiden Seiten das Gespräch. "Meine Aufgabe war es, die Kirche zusammenzuhalten, so dass nicht einzelne Gruppen sich isolieren oder ausbrechen", sagte er vor etwa einem Jahr dem epd. Umsicht und Weisheit, verbunden mit großer persönlicher Zuwendung haben ihm Weggefährten attestiert. Altkanzler Helmut Schmidt (SPD), der Lohse sehr schätzte, lobte seine "Urteilskraft und moralische Integrität".
Bestärker der Ordination von Frauen
Der 1924 in Hamburg geborene Lohse scheute trotz hanseatischer Zurückhaltung nie die klare Meinungsäußerung, etwa als er sich für die umstrittenen Ostverträge mit der DDR aussprach. Er selbst war stolz darauf, dass sich während seiner Amtszeit als Bischof landauf landab die Ordination von Frauen zu Pastorinnen etablierte. "Diese Neuformierung der Pfarrerschaft hat sich für unsere Kirche sehr positiv ausgewirkt", bilanzierte er später.
Bereits 1979 mahnte er einen barmherzigen Umgang der Kirche mit homosexuellen Menschen an. Der frühere EKD-Chef Nikolaus Schneider schrieb ihm als einer seiner Amtsnachfolger: "Sie waren damit Ihrer Zeit und vielen Ihrer Zeitgenossen weit voraus."
Seine wissenschaftliche Laufbahn begann der Sohn eines Studienrats unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er als Schnellboot-Kommandant bei der Marine gedient hatte. Bereits 1949 promovierte er in Göttingen. Professor für das Fach Neues Testament wurde er zunächst in Kiel, seit 1964 in Göttingen, wo er auch Rektor der Georg-August-Universität war. Seine wissenschaftlichen Werke prägten Generationen von Studierenden.
1970 wählte ihn die hannoversche Landessynode zum Nachfolger von Landesbischof Hanns Lilje. Als Ratsvorsitzender und Bischof sorgte Lohse für Erstaunen, als er sich Anfang der 1980er Jahre für ein Studienhalbjahr in die USA zurückzog. In seine Zeit als Vorsitzender der Deutschen Bibelgesellschaft fiel die Revision der Lutherbibel - für Lohse eines der wichtigsten Ereignisse seiner Amtszeit. Während Lohses Ratsvorsitz fanden 1983 die Feiern zum 500. Geburstag von Martin Luther (1483-1546) statt. Die EKD legte 1985 unter der Überschrift "Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie" eine Denkschrift vor, in sie der erstmals die Staatsform der liberalen Demokratie positiv würdigt.
Bestärker der Ökumene
Wichtig war Lohse die Gemeinschaft der Kirchen in der Ökumene. Zu den Höhepunkten seiner Amtszeit als Ratsvorsitzender gehörte die Begegnung mit Papst Johannes Paul II. am 17. November 1980 in Mainzer Dommuseum. In seiner Ansprache bedauerte er, dass ökumenische Gottesdienste am Sonntagvormittag nicht erlaubt sind und Ehepartner mit unterschiedlicher Konfession nicht die erforderliche kirchliche Anerkennung und Begleitung finden. Gemeinsam mit dem Mainzer Bischof Karl Lehmann leitet Lohse den Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen.
Mehrere Universitäten im In- und Ausland haben den Neutestamentler mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Die päpstliche Universität Gregoriana in Rom lud den evangelischen Theologen zu Gastvorlesungen ein. 1988 wählte ihn der Weltbund der Bibelgesellschaften zu seinem Präsidenten. 2007 wurde Lohse für sein "einzigartiges wissenschaftliches Werk" mit dem Leopold-Lucas-Preis der Universität Tübingen geehrt.
Hielt die Trauerrede für Loki
Viel Beachtung erfuhr Lohse im November 2010: Im Hamburger Michel hielt er die Trauerpredigt für Helmut Schmidts verstorbene Ehefrau Hannelore ("Loki"). Und erst vor wenigen Wochen gab er noch eine einstündige Bibelarbeit vor dem Kirchenparlament in Hannover.
Und besonders wichtig war ihm seine Familie, in deren Kreis er am Dienstag starb: seine Frau Roswitha, mit der er 63 Jahre verheiratet war, sowie drei Kinder und sechs Enkel.