Mit einer Gedenkveranstaltung haben die kirchlichen Verbände Diakonie und Caritas an die kranken und behinderten Opfer des NS-Rassenwahns erinnert. Eugenik und Euthanasie stünden für barbarische Vernichtung, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) als Gastrednerin bei der Veranstaltung am Donnerstagabend im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie und Caritas-Präsident Peter Neher betonten in ihren Reden die Verwicklung der kirchlichen Verbände in die Verbrechen.
"Die evangelische Diakonie verstand sich nicht nur im Weimarer Wohlfahrtsstaat, sondern auch im autoritären Fürsorgestaat der Nationalsozialisten als Teil des sozialpolitischen Systems", sagte Lilie. Den wenigen mutigen Beispielen von Widerstand stehe die überwiegende und durchgängige Praxis der Anpassung und Mitwirkung gegenüber. Weite Teile der Inneren Mission, aus der die Diakonie hervorgegangen ist, hätten die Machtübernahme der Nationalsozialisten begrüßt.
Caritas-Präsident Neher sagte, die Arbeit der Verbände zu dieser Zeit werde zutreffend als zwischen Zustimmung, Anpassung und Widerstand beschrieben. Für die Kirchen resultiere daraus der Auftrag zur Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. "Glaube schützt nicht unbedingt vor Fehlverhalten", sagte Neher. Mehr noch, er könne Fehler sogar befördern.
Nahles dankte den Kirchen für ihren offenen Umgang mit der Vergangenheit. Sie sagte, die NS-Verbrechen seien heute für sie Ansporn bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es sei beschämend, wie lange auch nach dem Krieg Behinderte nicht als Menschen mit vollem Wert anerkannt worden seien. Dabei sei das Thema nicht weit weg: "Jeder und jede von uns kann durch einen Unfall oder eine Krankheit eine Behinderung erfahren", sagte die SPD-Politikerin. Es gehe also alle etwas an.
Der Auftrag, der aus der Erfahrung der NS-"Euthanasie" resultiere, laute wachsam zu bleiben, unterstrich Nahles. Menschen dürften nicht reduziert werden auf einen reinen Produktions- oder Kostenfaktor. Dies sei Ausdruck der Vorherrschaft ökonomischen Denkens. Dabei verwies die Ministerin auch auf die aktuell im Bundestag geführte Debatte um den assistierten Suizid.