Am Ende gibt es Kritik aus dem Publikum, warum denn nur dezidierte Kritiker des christlichen Fundamentalismus auf dem Podium gesessen hätten. Doch wer so fragt, hat eines der wichtigen Kriterien des Fundamentalismus nicht begriffen: Fundamentalisten verweigern sich grundsätzlich dem Dialog. In seiner Hinführung zum Thema erläutert der Professor für systematische Theologie Wilhelm Eppler bereits die wichtigsten Punkte, die von den anderen Teilnehmenden des Podiums später je nach ihrem Spezialgebiet aufgegriffen werden: Die Auslegung der Bibel muss sich der Tatsache stellen, dass es eine starke Tendenz zur wörtlichen Auslegung gibt. Fundamentalismus ist attraktiv und ruft darum alle Christen, die sich ihm widersetzen wollen, dazu auf, ihren eigenen Umgang mit der Bibel zu profilieren. Fundamentalismus verspricht den Gläubigen, von Ungewissheiten befreit zu werden. Das wäre, so Eppler, ein großes Glück, doch kommt es einer Rückkehr ins Paradies gleich, die nicht mehr möglich ist. Fundamentalismus zeichnet sich dadurch aus, dass er heilige Texte nicht interpretieren, sondern sie umsetzen will. Ein anderes Denken als das dieser Schrift darf es nicht geben. Und eben: Der Fundamentalismus verweigert sich dem Dialog.
Prof. Ulrich Körtner betont, dass die Bibel von vornherein ein aus Interpretation entwickeltes auf Interpretation hin angelegtes Werk sei. Eine wörtliche Schriftauslegung ist nicht möglich. Die Offenbarung, Jesus Christus habe sich "dem Konflikt der Interpretation ausgesetzt." Auch Prälatin Gabriele Wulz macht deutlich, dass Fundamentalismus attraktiv ist, weil er einen absoluten Fixpunkt anbietet und die Komplexität der Wirklichkeit verringert. Prof. Christoph Dinkel sieht die Kirche aufgefordert, Gottvertrauen zu befördern, indem sie auch in der Verkündigung konsequent die Ergebnisse der historisch-kritischen Methode vertritt. Prof. Heinzpeter Hempelmann schließlich wirft dem christlichen Bibelfundamentalismus vor, er ersetze Jesus Christus durch die Bibel. Die Offenbarung Gottes wird in fundamentalistischer Auslegung Buch, nicht Fleisch. So könne man nicht die Bibel im Munde führen und sich anmaßen, das Wort Gottes zu sprechen, wenn man die Bibel zitiert. Das nennt Hempelmann "Heidentum", denn die fundamentale Unterscheidung zwischen Gott und Mensch ist das, was den Glauben ausmacht.
Trotz der scheinbaren Einmütigkeit auf dem Podium wird nicht zuletzt durch die Fragen aus dem Publikum immer wieder deutlich, wie groß die Sehnsucht nach Einfachheit im Glauben ist. Doch die Podiumsrunde ist sich einig: Die Bibel ist bereits Interpretation und verlangt nach Interpretation. Hempelmann sagt es so: "Wir können es gar nicht kompliziert genug machen mit unserer Interpretation, wenn wir glauben, dass Gott in Jesus Christus Mensch wurde." Doch wen soll man erreichen mit einer komplizierten Interpretation? Bei wem soll man durch Erkenntnisse der Exegese Gottvertrauen befördern? Ulrich Körtner erntet großen Applaus, als er dazu auffordert, die Bibel zwar nicht wörtlich, aber beim Wort zu nehmen. Er ruft dazu auf, sich mit der Bibel eben auseinanderzusetzen, Bibelkenntnis zu fördern, Bibel zu lesen, Bibel gemeinsam zu interpretieren. In der direkten und reflektierten Auseinandersetzung mit den biblischen Texten liegt die Chance, einer fundamentalistischen Bibelauslegung zu wehren. Doch sieht Körtner diese Tradition der Interpretation in Gefahr. Man möchte hoffen, dass Gabriele Wulz Recht hat, dass die verstärkte Auseinandersetzung mit jüdischer Bibelauslegung seitens der Kirche dazu führen kann, dass unsere Kirche wieder Freude an der gemeinsamen und nicht enden wollenden Interpretation der Bibel entwickelt. Lernen wir unsere Bibel also besser kennen! Wenn das als Ergebnis dieses Podiums stehen bliebe, könnten alle Beteiligten zufrieden sein. Evangelisch.de wird in jedem Fall auf diesem Weg weiterhin mitgehen.