Sie sind Klimabeauftragter des Lutherischen Weltbundes. Was macht ein Klimabeauftragter?
Was tun die evangelischen Gemeinden in Frankreich konkret für den Klimaschutz?
Kopp: Die französischen evangelischen Kirchen haben noch kein allgemeines Programm oder fest Angestellte, die zum Klimaschutz arbeiten. Einige Gemeinden mobilisieren sich von selbst, aber sie bleiben die Ausnahme. Zum Beispiel hat die Gemeinde Gumbrechtshoffen im Elsass auf dem Dach ihrer Kirche Sonnenkollektoren installiert, die Gemeinde Hagenau versucht das Zertifikat "Grüner Gockel" umzusetzen, angepasst an den französischen Kontext. Eine neue Entwicklung ist unterdessen sehr ermutigend: Die Gemeindeglieder schärfen ihren Blick für diese Fragen. Noch vor wenigen Jahren bewegten Umweltschutz und Klima nicht; heute stellt man sich wirklich diese Fragen, das ist ein großer Fortschritt, und hoffentlich ein Vorspiel für einen konkreten Einsatz der Gemeinden.
Wie finanzieren die Gemeinden ihre Maßnahmen zum Klimaschutz (zum Beispiel Photovoltaik-Platten)?
Kopp: Die Gemeinde hat nur dann die Befugnis über ihre Kultusgebäude, wenn sie ihr selbst gehören (und nicht der Stadt). In Elsass-Lothringen kommt die Finanzierung meistens von der Gemeinde selbst: Die Gemeinde erhält ein Darlehen von einer Bank eigener Wahl. Dafür braucht sie eine Einlage, das heißt sie muss schon Geld angespart haben, das von den Gemeindegliedern selbst kommt. Hinzu kommen öffentliche Subventionen von der Kommune, vom Bezirksrat oder der Region, und eine Hilfe der Union der Protestantischen Kirchen Elsass-Lothringens, die die Gemeindeprojekte zur nachhaltigen Entwicklung, namentlich zum Energiesparen, mit bis zu 20 Prozent in den Arbeitsleistungen unterstützt (mit einer Obergrenze). Es kann auch Hilfen von Stiftungen geben, wie der Stiftung Kulturerbe.
Seit Juli 2014 organisieren Sie in allen großen Städten Frankreichs ein Klima-Fasten. Was ist das?
Kopp: Das Klima-Fasten ist eine überzeugungsunabhängige Initiative (Gläubige und Nicht-Gläubige nehmen teil), es ist 2013 im Rahmen der UN-Klima-Konferenz von Warschau entstanden. Es war ursprünglich ein Akt der Solidarität mit den verletzlichen Personen, nachdem der Taifun Haiyan die Philippinen verwüstet hatte. Heute fasten Personen unterschiedlicher Überzeugung in über neunzig Ländern am ersten Tag jedes Monats bis zur Klima-Konferenz in Solidarität mit diesen verletzlichen Personen und um einen gerechten Übergang in eine sichere Zukunft zu fordern. In Frankreich treffen sich die Leute in Gruppen, um zu fasten oder das Fasten zu brechen und sich auszutauschen. Sie haben ihre Ernährung umgestellt.
Wie nimmt die Öffentlichkeit dieses Fasten wahr?
Kopp: Die Praxis des Fastens ist im Westen verloren gegangen, besonders im Protestantismus. Darum ist die erste Reaktion oft Überraschung: wirklich, fasten? Und für das Klima? Darin erfüllt es eine wichtige Funktion: Die Leute anzusprechen, die sich fragen, warum man einen Tag lang nicht essen sollte. Ein starker Akt, mit dem man für die klimatische Herausforderung sensibilisiert. Und für die, die es ausprobieren, ist es eine wirkliche Entdeckung: Fasten ist eine intime und starke Körper- und Geisteserfahrung, die das Vitale berührt und den Willen in Gang setzt. Darum ist die Reaktion meist positiv: Man geht verwandelt aus seinem Fasten heraus.
Wie werden die Protestanten im Dezember auf der UN-Konferenz COP 21 in Paris präsent sein? Was fordern sie?
Kopp: Der Protestantismus ist vielfältig. Der Lutherische Weltbund wird seinerseits mit einer Delegation sieben junger Erwachsener (unter dreißig Jahren) aus sieben Regionen präsent sein, sie vertreten die lutherische Gemeinschaft. Sie verfolgen die Verhandlungen mit, beteiligen sich am 1. Dezember am Klima-Fasten in der COP und in Paris, geben Mitteilung an die Kirchen – über die Lutheran World Information oder ihre direkten Verbindungen – und tragen unsere Forderungen. Wir verlangen, dass die führenden Politiker aus dem Kampf gegen den Klimawechsel eine öffentliche und persönliche Priorität machen, und dass die Übereinkunft von Paris es erlaubt, weit unter zwei Grad Erwärmung im Durchschnitt zu bleiben.
75 Prozent der Elektrizität in Frankreich kommt aus Atomkraftwerken. Stehen die Evangelischen Kirchen Frankreichs ungeteilt zur Atomkraft?
Kopp: Keine französische Kirche hat eine offizielle Position zur Frage der Atomenergie. Das heißt nicht, dass es keine Debatte gäbe: Schon Anfang der Siebziger Jahre hat eine Arbeitsgruppe in Elsass-Lothringen wie die Fédération Protestante de France Reflexionstexte veröffentlicht. Die Fragen werden ernst genommen, aber es gibt keinen Konsens. Dennoch merke ich, dass man sich in der gesellschaftlichen Debatte für das Thema öffnet: Letzte Woche ist ein Bericht der Agentur für Umwelt und Energiesteuerung veröffentlicht worden, der es in seinem Urteil für möglich hält, dass Frankreich 2050 ausschließlich Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen bezieht, ohne dass die Kosten im Vergleich zur Atomkraft erheblich ansteigen. Das ist eine Premiere, und dieser Bericht, aus angesehener Quelle hat die Debatte wieder angestoßen. In dieser Frage wie auch in anderen ist es das große Verdienst der COP 21, die Kirchen danach zu fragen, wie sie dazu stehen und was sie tun werden. Das ist mein Ziel: aus der diesjährigen Klima-Konferenz in Paris einen Anstoß für einen konkreten Einsatz der Kirchen zu machen. Let’s walk the talk!