Kaum zu glauben, dass es über zehn Jahre gedauert hat, bis sich endlich jemand an die "Dengler"-Romane von Wolfgang Schorlau gewagt hat. Mit den bislang sieben Abenteuern des Stuttgarter Privatdetektivs (erschienen bei Kiepenheuer & Witsch) ist dem badischen Autor eine der spannendsten deutschen Krimireihen gelungen, zumal der ehemalige BKA-Zielfahnder Dengler jedes Mal in ein brisantes Wespennest sticht.
Vermutlich war es nicht zuletzt der Aufwand, der nötig wäre, um den Romanen gerecht zu werden, der die Sender vor einer Adaption zurückschrecken ließ. Tatsächlich ist "Die letzte Flucht", der erste von hoffentlich mindestens sieben Filmen, für eine TV-Produktion enorm bilderreich. Allein eine Verfolgungsjagd quer durch den Berliner Hauptbahnhof bis hinein in die U-Bahn und später durch einen Straßentunnel inklusive Verkehrsstau wirkt kinoreif, zumal Lars Kraume (Buch und Regie) die entsprechenden Szenen angemessen packend inszeniert hat (Kamera: Jens Harant).
Das Komplott
Trotzdem ist es in erster Linie die Geschichte, die den großen Reiz des Films ausmacht, zumal sich Kraume eine raffinierte dramaturgische Konstruktion ausgedacht hat. Das ZDF startet die "Dengler"-Reihe nicht mit dem ersten Roman, sondern mit dem sechsten, "Die letzte Flucht" (2011), beginnt aber trotzdem mit der Kündigung des Fahnders beim Bundeskriminalamt und dem Umzug nach Stuttgart. Sein Premierenfall führt ihn allerdings nach Berlin: Bernhard Voss (Ernst Stötzner), ein renommierter Arzt an der Universitätsklinik, soll seine ehemalige Geliebte (Cornelia Gröschel) vergewaltigt haben. Er selbst sieht sich allerdings als Opfer eines Komplotts, und Dengler glaubt ihm: Der Arzt hat im Rahmen einer von einem Pharmakonzern finanzierten Studie rausgefunden, dass ein teures Krebsmittel praktisch wirkungslos ist. Selbstredend will der Konzern verhindern, dass Voss seine Ergebnisse veröffentlicht, und dafür ist dem Unternehmen anscheinend jedes Mittel recht.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Als Hauptdarsteller hat das ZDF Ronald Zehrfeld erkoren. Der dürfte zwar anders aussehen als der Detektiv aus den Fantasien der Krimifreunde, zumal der Schauspieler deutlich jünger ist, aber andererseits ist der physisch stets enorm präsente zweifache Grimme-Preisträger ("Im Angesicht des Verbrechens", "Mord in Eberswalde") auch in den Actionszenen sehr glaubwürdig. Partnerin nicht nur zum Auftakt, sondern auch im geplanten zweiten Film ist Birgit Minichmayr in einer für sie eher ungewohnten Rolle als geniale Computer-Hackerin. Gegenspielerin ist Jenny Schily als Berliner Kommissarin, die auf gleich zwei Erzählebenen agiert: Einerseits ist Finn Kommareck die Jägerin von Voss und Dengler, andererseits leidet ihr Mann an Krebs und hofft auf just jenes Medikament, das Voss untersucht hat.
Um die Brisanz des Stoffes sowie seine Authentizität zu untermauern, unterbricht Kraume den Erzählfluss immer wieder durch Handlungseinschübe, die einen von Stefan Kurt verkörperten Repräsentanten der Pharmaindustrie zeigen. Er ist von vermummten Unbekannten entführt worden und plaudert beim Verhör bereitwillig aus, wie sein Unternehmen aus Hoffnung Geld macht. Die Zitate sind echt und stammen aus Gesprächen, die Schorlau mit Managern geführt hat; wie Kraume, gleichfalls Grimme-Preisträger ("Guten Morgen, Herr Grothe"), sie jedoch in den Film integriert hat, ist ein kleiner Knüller.