In diesem wunderbaren Film von Marc-Andreas Bochert ist es Horst Krause, der den alten Misanthropen verkörpert. Im Grunde will Paul Krüger bloß seine Ruhe, aber sein Berliner Kiez ist mittlerweile fest in Einwandererhand: Türken, wo immer man hinschaut; und vor allem hinhört. Als seine Enkelin ihn bittet, nach Antalya zu kommen, damit er sie nach türkischer Sitte mit einem Einheimischen verloben kann, fackelt Krüger nicht lange: Annie soll auf keinen Fall zur Gebärmaschine für kleine Moslems werden.
Horst Krause, dank seiner entschleunigten Auftritte als Polizeihauptmeister gleichen Namens im "Polizeiruf" aus Potsdam und vor allem wegen der diversen komödiantischen Soloausflüge (von "Krauses Fest" bis "Krauses Geheimnis") aller Einsilbigkeit zum Trotz ein Sympathieträger, ist der perfekte Protagonist für eine Geschichte dieser Art. Der alte Krüger verhält sich so, wie man sich viele Mitläufer der Dresdener Pegida-Bewegung vorstellt: Er betrachtet sich als Opfer einer Entwicklung, die er als Bedrohung empfindet, und sieht in jedem "Mohammedaner" einen potenziellen Islamisten; dabei kennt er keinen einzigen Moslem gut genug, um sich ein Urteil erlauben zu können. Für seinen Unmut allerdings findet das Drehbuch (Elke Rössler und Bochert) viele nachvollziehbare Momente, die Bochert angenehm lakonisch inszeniert. Es ist vor allem die amüsiert klingende Musik von Stefan Maria Schneider, die signalisiert, dass Krüger im Grunde seines Herzens ein guter Mensch ist. Bochert wiederum sorgt dafür, dass man das Unbehagen des Grantlers zwar nachvollziehen kann, aber er entschärft es auch immer wieder, wenn der Alte beispielsweise versucht, mit seinem kleinen Transistorradio den lauten Türkpop aus der Nachbarwohnung zu übertönen; oder wenn die Kamera (Andreas Höfer) Krüger aus dem Inneren des Pfandflaschenautomaten heraus filmt.
Mit der Ankunft in Antalya wechselt der Tonfall, und das auch buchstäblich. Die Musik klingt nun orientalisch, die Bilder sind hell und farbenfroh. Bloß Krüger ändert sich nicht: Missmutig stapft er in seinen Sandalen durch die fremde Welt; Deniz (Karim Günes), der Verlobte von Annie (Anna Unterberger), wird von ihm wie ein Verbrecher behandelt. Krügers zementiertes Weltbild bekommt erste Risse, als er bei einem Ausflug den Bus verpasst und allein in der Einöde zurückblickt. Ein freundlicher Türke, der dreißig Jahre bei Opel gearbeitet hat, lädt ihn zu sich nach Hause ein, weil der nächste Bus zurück nach Antalya erst am nächsten Morgen fährt.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zu einem großen Film wird "Krüger in Antalya" auch durch diverse liebevoll entworfene Nebenfiguren. Für die eigentliche Geschichte sind sie nicht weiter wichtig, aber sie machen großen Spaß und sind treffend besetzt: Marie Gruber als Krügers Reisebegleitung, die sich umgehend in einen reichen Russen verguckt, Victoria Trauttmansdorff und Gilbert von Sohlern als nörgelige Erlebnistouristen sowie Jörg Gudzuhn und Fritz Roth als Krügers Kiezkumpane.