Beide werden vom "Zweiten" als "neue Heimatfarbe" beworben. Allerdings gibt es auch positive Parallelen, zum Beispiel die mutige Besetzung der Titelfigur: Die Hauptdarstellerinnen beider Reihen sind praktisch unbekannt. Ähnlich wie Diana Staehly ist auch Patricia Aulitzky eine frisch und unverbraucht wirkende Schauspielerin, die der weibliche Anteil des Publikums sympathisch und der männliche attraktiv finden kann. Auch die alliterarischen Reihentitel tragen nicht gerade zur Unverwechselbarkeit bei.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Natürlich unterschieden sich die beiden Produktionen in diversen inhaltlichen Details, aber die wirken nicht zuletzt angesichts der ganz ähnlichen Machart fast nebensächlich: Hanna ist Anwaltsgehilfin, Lena Hebamme; Hanna hat ihren Freund verlassen, Lena nicht; Hanna ist eher zufällig in der Tiroler Fremde gelandet, Lena ist in ihre Heimat im Berchtesgadener Land zurückgekehrt. Hier wie dort reist der Freund hinterher, hier wie dort gibt es einen interessanten (und interessierten) Einheimischen, der gern seine Stelle einnehmen würde, und weil Lena dafür sorgt, dass sich eine Teenager-Mutter mit ihrem Vater (Michael Fitz) versöhnt, taucht sogar das Schlichtungsmotiv wieder auf. Selbst wenn sich Michael Kreindl (Regie) und Stefan Spreer (Kamera) nicht ganz so hemmungslos am Panorama weiden, wie das in den meisten anderen Heimatfilmen der Fall ist: Die Landschaftsbilder bieten dennoch das obligate Augenfutter.
Selbstverständlich könnten die Liebhaberinnen solcher Filme völlig zu Recht einwänden, dass man auf diese Weise auch jeden Krimi kritisieren könne: Am Anfang wird jemand ermordet, und den Rest des Films sucht die Polizei nach dem Täter. Letztlich ist es wie beim Beton: Es kommt immer drauf an, was man draus macht; und da ist dem Trio Kreindl, Astrid Ströher (Buch) und Mathias Klaschka (Buch und Idee) nicht so wahnsinnig viel eingefallen, um tatsächlich für die versprochene neue Heimatfarbe zu sorgen. Freunde und Freundinnen des Genres soll das nicht abschrecken, "Willkommen im Leben" hat alles zu bieten, was sie von Filmen dieser Art erwarten; und außerdem mit Eva Mattes eine starke zweite Hauptdarstellerin, die als Lenas verwitwete und verbitterte Mutter Eva etwas mehr gefordert als im braven Bodensee-"Tatort". Für Mattes schließt sich gewissermaßen ein Kreis, schließlich ist sie vor gut vierzig Jahren als nicht mal zwanzig Jahre alte Schauspielerin durch Rainer Werner Fassbinders Heimatdrama "Wildwechsel" (1972) bekannt geworden.
Film geht eher in die Breite als in die Tiefe
Ähnlich wie bei den "Hanna Hellmann"-Filmen geht das Drehbuch auch bei "Lena Lorenz" eher in die Breite als in die Tiefe: Es gibt eine Vielzahl von Konflikten, die zum Teil jedoch nur angerissen werden und neugierig auf Teil zwei machen sollen; völlig offen bleibt zum Beispiel, warum Lenas einstmals beste Freundin Julia (Liane Forestieri) beim Wiedersehen so frostig reagiert. Die Aussetzer ihres Großvaters (Fred Stillkrauth) sind unschwer als beginnende Demenz zu deuten. Michael Roll schließlich muss quasi bloß durchs Bild laufen, und schon ahnt man, dass dieser Mann nichts Gutes im Schilde führt; der Schauspieler hat in Filmen dieser Art schon oft genug den Schurken verkörpert.
Immerhin gibt es einige witzige und originelle Momente. Sehr hübsch ist zum Beispiel eine Szene, in der die Teenagermutter, die ihr Kind im Wirtshaus zur Welt bringen muss, nach Musik verlangt, und ihre Qualen prompt vergrößert werden, als aus der Musikbox Costa Cordalis erklingt. Und der "Einheimische", der nichts dagegen hätte, wenn Lena nach Bayern zurückkehren würde, ist ein Lehrer, den alle wegen seiner türkischen Wurzeln bloß Ali nennen (Bülent Sharif). Aber der Film traut sich noch mehr: Der junge Hofgehilfe von Eva Lorenz ist schwul, es kommt sogar zu einer männlichen Kussszene; das hätt’s im klassischen Heimatfernsehfilm nicht gegeben.