Für Haftrichter und Staatsanwalt ist der Fall klar, Leonie wird wegen Mordes angeklagt. Ihre junge Pflichtverteidigerin (Alina Levshin) findet jedoch nach und nach heraus, dass der von Freunden und Bekannten in den höchsten Tönen gelobte Alexander Keller (Michael Mittermeier) ein Monster war. Die entsprechenden Szenen, die in Form von Rückblenden gezeigt werden, sind stellenweise beklemmend bis an den Rand der Erträglichkeit.
Dabei erlebt Leonie die Beziehung mit Alexander zunächst als Paradies auf Erden. Der Kardiologe ist ungewöhnlich sympathisch, zuvorkommend und zärtlich. Als er ihr einen originellen Heiratsantrag macht, ist das Glück der alleinerziehenden Goldschmiedin vollkommen. Deshalb schöpft sie auch keinen Verdacht, als Alexander ihr nahe legt, ihren Beruf aufzugeben und sich nur noch um Erziehung und Haushalt zu kümmern; nun ist sie finanziell von ihm abhängig. Nach einem Abend mit Freunden lässt er schließlich die Maske fallen, es kommt zu einer ersten Gewalttat, weil er sich bloßgestellt fühlt; und das ist nur ein Vorgeschmack. Spätere Bilder, wenn der Mann seine Frau hemmungslos verprügelt und auf sie eintritt, als sie am Boden liegt, sind kaum noch auszuhalten. Gleiches gilt für eine Vergewaltigungsszene. Angesichts der schockierenden Schilderungen Leonies vor Gericht plädiert ihre Verteidigerin auf Notwehr.
Enorme emotionale Wirkung der Bilder
Allein die enorme emotionale Wirkung dieser Bilder belegt die große Qualität von Holger Haases Inszenierung. Für den Regisseur (zuletzt "... und dann kam Wanda") ist dieser Stoff ebenfalls völlig ungewöhnlich, er hat gerade für Sat.1 bislang bevorzugt Filme wie "Bollywood lässt Alpen glühen", "Mein Lover, sein Vater und ich!" oder "Im Spessart sind die Geister los" gedreht; alles sehenswerte Komödien, aber auch pures Unterhaltungsfernsehen. Umso eindrucksvoller ist die enorme Qualität dieses Films.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Das liegt bei einem derartigen Stoff vor allem an der Führung der Schauspieler. Beide Hauptdarsteller verkörpern ihre Figuren mit einer Glaubwürdigkeit und Intensität, die preiswürdig ist. Marcus Mittermeier ist geradezu beängstigend überzeugend in seiner Rolle als krankhaft eifersüchtiger Ehemann, der praktisch im gleichen Atemzug Liebesschwüre und Hasstiraden von sich gibt und von Zärtlichkeit zu Zorn wechselt. Felicitas Woll wiederum spielt als Titelfigur keineswegs bloß ein Opfer. Natürlich will der Staatsanwalt wissen, warum sie weder Hilfe gesucht noch die Flucht aus dem goldenen Käfig ergriffen hat; für beide Fragen, die man sich auch als Zuschauer stellt, findet das Drehbuch (Michael Helfrich) schlüssige Antworten.
Haases Umsetzung der Geschichte ist filmisch nicht weiter auffällig. Trotzdem gelingt es ihm, beinahe unmerklich ein Klima der Unbehaglichkeit entstehen zu lassen. Als Alexander seiner Frau das neue gemeinsame Haus zeigt, das für Leonie mehr und mehr zum goldenen Käfig wird, bleibt die Kamera (Uwe Schäfer) zunächst außen vor. Hinter dem Auto des Paares schiebt sich das elektronisch gesteuerte Tor vor die Kamera; prompt assoziiert man das Bild mit einem Gefängnistor.