Gerichtstermin mit Bibel-Quiz

Glaubensprüfung
Foto: iStockphoto/James McQuillan
Gerichtstermin mit Bibel-Quiz
Konvertierte Flüchtlinge stehen oft unter Generalverdacht
Islamische Flüchtlinge riskieren viel, wenn sie sich in Deutschland taufen lassen. Müssen sie in ihre Heimatländer zurückkehren, drohen ihnen soziale Ächtung und teilweise drakonische Strafen. Aber auch deutsche Behörden zweifeln immer wieder Taufen an.
01.04.2015
epd
Karsten Packeiser

Beim Sonntagsgottesdienst in der Mainzer Auferstehungsgemeinde sind Mohsen und Maryam (Namen geändert) jetzt für die Vorbereitung des Abendmahls und das Glockengeläut zuständig. Nach der Flucht aus dem Iran ließ sich das junge Ehepaar in Deutschland evangelisch taufen und übernimmt nun ehrenamtliche Küsterdienste in der Kirche. Noch läuft das Asylverfahren, doch dass die beiden zwangsweise in ihre Heimat zurückkehren müssen, ist unwahrscheinlich. Im Iran stellt Apostasie, also der Abfall vom Islam, eine schwere Straftat dar, die grundsätzlich mit dem Tod bestraft werden kann. Deutsche Behörden ziehen indes regelmäßig in Zweifel, dass es konvertierten Muslimen wirklich ernst ist mit dem neuen Glauben.

Mohsen war nach eigenen Angaben bis vor zwei Jahren ein frommer Muslim. Der studierte Betriebswirt hatte während seiner Militärzeit erstmals Kontakt zu Armeniern, die als christliche Minderheit in der Islamischen Republik geduldet werden. Aus Neugier begann er schließlich, in der Bibel zu lesen. "Im Iran gibt es ja keine Informationen über andere Religionen", begründet er sein Interesse. Als er die Bibel aber einem Arbeitskollegen weiterreichte, schlug der sofort bei den Vorgesetzten Alarm. Aus Angst, wegen illegaler Missionierung in die Mühlen der Justiz zu geraten, flüchtete das Paar aus dem Land.

Verzicht auf starre Glaubensdogmen

Muslimische Asylbewerber, die während ihres Verfahrens in Deutschland zum Christentum konvertieren, sind längst keine Einzelfälle mehr. In der Mainzer Auferstehungsgemeinde gibt es mittlerweile eine Gruppe von 15 konvertierten Iranern. Viele von ihnen wurden nach den Erfahrungen mit ihrem autoritären Heimatstaat bewusst evangelisch. Ihnen gefällt die Freiheit der Protestanten und der Verzicht auf starre Glaubensdogmen. Bereits 2013 legte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Handreichung "Zum Umgang mit den Taufbegehren von Asylsuchenden" vor. Die Broschüre wolle "sowohl auf die Chancen und Möglichkeiten als auch auf die Verantwortung und Konsequenzen hinweisen", heißt es im Vorwort.

In vielen Fällen riskieren "glaubensabtrünnige" Muslime nämlich nicht nur staatliche Repressalien, sondern auch die Ächtung durch die Familie. Auch der deutsche Staat betrachtet Taufen von Flüchtlingen mit Argwohn. Vielfach vermuten die Sachbearbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge wie auch Gerichte, der Religionswechsel erfolge nur zum Schein als Mittel zum Aufenthaltsrecht.

Von den bisweilen kuriosen Folgen kann Pfarrer Fridtjof Amling aus dem niedersächsischen Dinklage berichten, der einen von ihm getauften Asylbewerber auch zum Gericht begleitete. Der Richter unterzog den von Abschiebung bedrohten Iraner einem regelrechten Bibel-Quiz. Amlings neues Gemeindemitglied musste christliche Gebete aufsagen und wurde gefragt, welche Nationalität Pontius Pilatus und welchen Beruf der Vater Jesu hatte.

"Diese Prüfung hätten viele aus meiner Gottesdienstgemeinde nicht bestanden", sagt der Pfarrer im Rückblick. Etwas anderes empört ihn aber noch viel mehr. Ein staatlicher Richter, der noch dazu selbst aus der Kirche ausgetreten sei, überschreite seine Befugnisse. Es stehe ihm einfach nicht zu, ohne triftigen Grund einen Glaubenswechsel anzuzweifeln: "Nicht der Staat kann bestimmen, was eine rechtmäßige Taufe ist. Das kann allein die Kirche."

"Dass nachgefragt wird, halte ich für legitim", sagt hingegen Amlings Mainzer Amtskollege Jens Martin Sautter von der Auferstehungsgemeinde, der Mohsen und Maryam taufte. Auch er hat allerdings schon von den fragwürdigen Glaubenstests gehört. Bei Asylverfahren werde zum Christentum übergetretenen Muslimen auch schon einmal nahegelegt, sie müssten nach der Ausweisung in ihre Heimat ja niemandem von der Taufe erzählen. Sautter ist sich allerdings sicher: Bei so gut wie allen Glaubensübertritten von Flüchtlingen handele es sich um eine sorgsam überlegte, tief religiöse Entscheidung. Persönlich kenne er außerdem keinen Pfarrer, der Erwachsene nicht gründlich auf die Taufe vorbereiten würde.