Viele Jahre lang wurde das ZDF belächelt, weil Freitagskrimiserien wie "Der Kommissar" und "Derrick" stets in den Villenvierteln nobler Münchener Vororte spielten. Angesichts einer immer weiter auseinander klaffenden Schere zwischen Arm und Reich sollte es gerade heute viel mehr Filme über soziale Randgebiete geben. Es hat mehrere Gründe, warum sich ARD und ZDF immer noch schwer mit solchen Geschichten tun: Die Autoren müssten aufwändiger recherchieren, was die Drehbücher verteuern würde; und es ist ungeheuer schwer, Schauspieler zu finden, die Menschen aus problematischen Gegenden glaubwürdig verkörpern können.
Mit diesem Krimi stellt sich der NDR daher gleich einer doppelten Herausforderung: Jugendliche, die in der Theater-AG ihres Gymnasiums mitwirken, haben in der Regel einen anderen Hintergrund als die titelgebenden "Kinder von Gaarden". Außerdem sollte der "Tatort" kein Sozialdrama werden; zumindest nicht in erster Linie. Das immerhin ist Regisseur Florian Gärtner gelungen, weil das Drehbuchpaar Eva und Volker A. Zahn einen Krimi mit starken Figuren geschrieben hat. Ob die Kinder, an denen sich Borowski zunächst die Zähne ausbeißt, tatsächlich so authentisch sind, wie der Film suggeriert, ist vermutlich Ansichtssache; immerhin sind die jungen Darsteller sehr überzeugend. Das gilt vor allem für eine Szene, in der einige Burschen den Kommissar verbal derart in die Enge treiben, dass dem alten Hasen tatsächlich die Worte fehlen; Milberg und die Jungs spielen das ganz ausgezeichnet. Da Bildgestalter Gunnar Fuß mit zwei Kameras gearbeitet hat, konnten die Darsteller improvisieren und sich frei bewegen.
"Hier gibt’s kein richtig"
Das Unbehagen, das sich dank der Identifikation mit dem Ermittler zwangsläufig einstellt, entspricht perfekt der Stimmung, die der Film vermittelt. Für Brandt ist der Fall klar, als sich rausstellt, dass sich der Mann offenbar an einem der Jungs vergangen hat; aber Borowski hat Zweifel, zumal ihm ein gewisser Timo mehr und mehr ans Herz wächst.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Zum düsteren Gesamtbild trägt auch die Musik (Birger Clausen) bei: Sie ist eher Bedrohung als Begleiterscheinung. Umso erstaunlicher, dass der Film dennoch immer wieder komische Momente hat; auch wenn das die sonstige Freudlosigkeit eher noch verstärkt.