Der Sonntagskrimi im "Ersten" ist seit vielen Jahren der mit Abstand erfolgreichste deutsche Sendeplatz. Selbst der permanente Personalwechsel scheint sich nicht nachteilig auszuwirken. Einzig die Autoren haben ein Problem: Sie müssen sich ständig neue Protagonisten ausdenken, die ja nicht bloß einen Film lang fesseln, sondern im Optimalfall viele Jahre Lust aufs Einschalten machen sollen. Da lässt es sich auf Dauer anscheinend nicht vermeiden, dass bestimmte Persönlichkeitsprofile immer wieder auftauchen. Robert Karow zum Beispiel, der neue Ermittler aus Berlin, ist ein Mensch, der seine Kollegen gleich am ersten Arbeitstag vor den Kopf stößt; in Sachen Sozialverhalten hat der begabte Analytiker ganz offensichtlich enormen Nachholbedarf. Die Beschreibung würde allerdings auch auf die "Tatort"-Kollegen aus Leipzig und Dortmund passen. Dass sich ein Kommissar nicht erst groß vorstellt, sondern direkt am Tatort auftaucht, ist ebenfalls nicht gerade neu. Karow, der vom Drogendezernat zur Mordkommission gewechselt ist, steht zudem angeblich auf der Lohnliste eines mächtigen Kartells; das erinnert an die ersten "Polizeiruf"-Krimis aus Rostock. Kein Wunder, dass ihm seine neue Partnerin erst mal ausgesprochen reserviert und mit viel Argwohn begegnet.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Für Kinder ungeeignet
Auch sonst merkt man diesem rasant erzählten und aufwändig wirkenden Krimi mit dem schlichten Titel "Das Muli" an, dass der RBB dem neuen Team einen starken Auftakt verschaffen wollte. Das Drehbuch stammt immerhin von Stefan Kolditz ("Unsere Mütter, unsere Väter"), und Grimme-Preisträger Stephan Wagner, der der ARD erst kürzlich mit dem Harzkrimi "Harter Brocken" einen Quotenknüller beschert hat, ist ohnehin ein großartiger Krimiregisseur. Was die Bildgestaltung angeht, ist der Film in der Tat ein Leckerbissen, zumal Wagners bevorzugter Kameramann Thomas Benesch immer wieder kunstvolle Einstellungen komponiert hat. Die nächtlichen Metropolenbilder und die Thriller-Musik von Ali N. Askin verleihen dem düsteren Krimi, der zudem hervorragend geschnitten ist (Susanne Ocklitz), eine ganz spezielle Atmosphäre. Der Titel bezieht sich auf Johanna (Emma Bading), ein junges Mädchen, das gemeinsam mit einer Freundin mexikanisches Kokain im Magen nach Deutschland geschmuggelt hat. Das zweite Mädchen ist gestorben, weil einer der Beutel kaputt gegangen ist; die Dealer haben sie regelrecht ausgeweidet. Das wird natürlich nicht im Detail gezeigt, aber nicht nur das angedeutete Blutbad macht den spannenden Film für Kinder definitiv ungeeignet.