Seit zwanzig Jahren tun sich Regisseur Miguel Alexandre und Autor Harald Göckeritz in regelmäßigen Abständen zusammen, um große Filme zu machen. „Nana“ war 1995 für beide einer der ersten großen Erfolge, „Grüße aus Kaschmir“ bescherte ihnen 2005 einen Grimme-Preis, und 2011 haben sie mit dem Udo-Jürgens-Drama „Der Mann mit dem Fagott“ für einen bemerkenswerten Zweiteiler gesorgt. Ein Reihenkrimi stellt natürlich eine ganz andere Herausforderung dar, schließlich ist hier weniger der persönliche Stempel gefragt. Der Grund, warum „Wilde Nächte“ dennoch herausragt, hat einen Namen: Die Schwedin Ida Engvoll ist ein Ereignis. Sie spielt gemeinsam mit ihrem nicht minder sehenswerten Landsmann Magnus Krepper die Episodenhauptrolle des Films. Die Leistungen der beiden Schweden lassen gemeinsam mit der guten Synchronisation vergessen, dass „Der Kommissar und das Meer“ zumindest vor der Kamera mittlerweile eine überwiegend skandinavische Sache ist, denn außer Titeldarsteller Walter Sittler und Andy Gätjen als Mitarbeiter des Kommissars wirken keinerlei deutsche Schauspieler mehr mit.
Sie haben den Vater schon vor Jahren verlassen
Engvall, obschon knapp dreißig, spielt sehr überzeugend eine junge Frau, die zumindest ihrem Verhalten nach eher wie ein Teenager wirkt. Allerdings hat Elsa Norén nach dem Fund ihres ermordeten Vaters auch allen Grund dazu, aus der Bahn geraten zu sein; Robert Anders (Sittler) kann sie gerade noch davon abhalten, sich an einer Klippe in die Tiefe zu stürzen. Die Leiche ist übersät mit Schuhabdrücken, doch gestorben ist der Mann, weil mit Gewalt eine volle Wodkaflasche in den Rachen gedrückt wurde; er ist ertrunken. Die Nachforschungen des deutschen Ermittlers auf Gotland führen Anders mitten hinein in ein Familiendrama. Elsa und ihre Mutter haben den Vater schon vor Jahren verlassen; seit einiger Zeit ist die junge Frau auf den doppelt so alten Mikael Berglund (Krepper) fixiert. Er hat ihr versprochen, gemeinsam mit ihr nach Amerika auszuwandern, hat jedoch Familie; außerdem ist er Makler und womöglich nur auf den Bauernhof des alten Norén scharf, den Elsa nun erben wird. Dass Berglund überdies sexsüchtig ist, tut zwar im Grunde nichts zur Sache, beschert der ansonsten eher zugeknöpften Reihe allerdings einige erotische Momente. Auch der brave Anders verlässt ausnahmsweise den Pfad der Tugend, verschafft sich unerlaubten Zutritt zum Liebesnest des Liebespaares und wird sogar gewalttätig.
Engvoll zieht jede ihrer Szenen fast mühelos an sich
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).