Auf den ersten Blick wirkt "Die Seelen im Feuer" wie eine weitere jener Literaturverfilmungen über längst vergangene Zeiten, in denen mutige Menschen die Finsternis erleuchten wollen und einen fast aussichtslosen Kampf gegen die Beschränktheit ihrer Zeitgenossen führen. Anders als die meisten jener Bestseller, die Spätmittelalter und frühe Neuzeit als exotischen Hintergrund für ein Melodram nutzen, geht es in dem Roman der Historikerin Sabine Weigand um die Hexenverfolgungen im 17. Jahrhundert; und das ist ein Kapitel der deutschen Geschichte, über das bislang seltsamerweise kaum Filme gedreht worden sind.
Zeuge barbarischster Vorgänge
Zunächst jedoch erinnert "Die Seelen im Feuer" (Regie: Urs Egger) an viele vergleichbare Werke, die vor lauter aufrichtigem Bemühen um Authentizität wie ein filmisches Freilichtmuseum anmuten. Spätestens mit den durch Aberglauben wie auch durch pure Macht- und Geldgier motivierten Hexenprozessen wird auch die Geschichte faszinierend: 1630 wird der Wiener Mediziner Cornelius Weinmann (Mark Waschke) wird in seine Heimatstadt Bamberg gerufen; sein Vater liegt im Sterben. Er will das rückständige Städtchen, das ohnehin düstere Erinnerungen in ihm weckt, umgehend wieder verlassen, doch zuvor muss er den örtlichen Fürstbischof Fuchs von Dornheim (Paulus Manker) von einem äußerst schmerzhaften Blasenstein befreien; und dann soll er an der Examination von Menschen teilnehmen, die der Hexerei beschuldigt werden.
Gerade auch dank der Verkörperung durch Mark Waschke mit seinen zwar markanten, aber auch modernen Gesichtszügen ist Weinmann die perfekte Identifikationsfigur: Gemeinsam mit dem fortschrittlichen Arzt wird man fassungslos Zeuge barbarischster Vorgänge. Dass der Medikus im Folterkeller irgendwann auch seiner Jugendliebe (Silke Bodenbender) begegnet, einer Apothekerin und Kräuterkundlerin, ist zwar ein Zugeständnis an die Erwartungen, die Filme dieser Art erfüllen müssen, erhöht aber naturgemäß die emotionale Spannung. Trotzdem ist eine zweite Ebene ungleich interessanter: Kirchenfürsten wie Fuchs von Dornhelm, den Manker mit exakt jener Dekadenz versieht, die das Klischee vorschreibt, nutzten den Hexenglauben, um ihre im Zuge der Reformation schwindende Macht zu stabilisieren. Spiritus rector des Fürstbischofs ist Weihbischof Förner, ein finsterer Intrigant, der die Hexenjagd skrupellos nutzt, um politische Gegner wie etwa den Bürgermeister (Richy Müller) aus dem Weg zu räumen; eine Rolle wie geschaffen für Alexander Held. Besonders gruselig ist allerdings Axel Milberg als unerbittlicher Hexenkommissar.
Sabine Weigand hat für ihren Roman umfangreiche Recherchen vorgenommen. Mit Ausnahme des Arztes und seiner Geliebten haben die wichtigsten Figuren tatsächlich gelebt. Viele Dialoge stammen aus den akribisch verfassten Verhörprotokollen, was die Vorgänge im Folterkeller noch ungeheuerlicher macht; Drehbuchautorin Annette Hess spricht von einer "entseelten Bürokratie" und verweist auf die Parallelen zum gleichfalls mit buchhalterischer Gründlichkeit dokumentierten deutschen Massenmord 300 Jahre später.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Aber sie sieht auch Parallelen zur Gegenwart: Der Mechanismus, eine unterlegene Gruppe zu verschworenen Unheilsbringern zu erklären, um auf diese Weise leichtgläubige Menschen zu verängstigen, erinnert sie an die so genannte Pegida-Bewegung.
Jenseits dieser Aktualität des Stoffs ist "Die Seelen im Feuer" auch im Wortsinn sehenswert: Die Bildgestaltung durch den mehrfach mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichneten Kameramann Holly Fink ("Dresden", "Mogadischu") ist herausragend. Gerade das Licht, für das sich Fink durch die niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts (allen voran Jan Vermeer) inspirieren ließ, ist eine Kunst für sich.