Er:
Früher hätte ich nie drüber nachgedacht, aber ein wenig seltsam ist es mir schon, dass unser Kind katholisch getauft wird. Letztlich war das meiner Frau wichtig. Über die Frage, ob die Taufe katholisch oder evangelisch wird, will ich mich jedenfalls nicht zerstreiten. Und es gehört zu meiner evangelischen Freiheit, dass ich das akzeptieren kann.
Freiheit ist nicht auch die Freiheit des Andersdenkenden, sie ist die Freiheit des Andersdenkenden. Gerade Christen sollten die Ersten sein, die gegen Unfreiheit den Mund aufmachen. Ob ich freiheitsfixiert bin? Meine Frau sagt das manchmal.
Freiheit ist mein Lieblingsideal. Sie ist der Wert meiner Generation. Wie in den Zeilen von Marius Müller-Westernhagen, die wir bei Konzerten laut mitsangen. Die verstand jeder gleich: "Freiheit, Freiheit ist die Einzige, die fehlt." Das ist zwar kein Kirchenlied. Da steckt aber trotzdem viel drin.
Freiheit meint auch, Nein sagen zu dürfen. Ebenso seine Werte und Bindungen aussuchen zu können. Ich fand das immer gut. Im Prinzip haben mir meine Eltern bei der Taufe auch die Freiheit gelassen: "Du sollst dich selbst entscheiden dürfen."
Dann aber hieß es: "Den Konfirmandenunterricht, den machst du mal schön mit."Meine Eltern sind noch nach dem Buch von Johanna Haarer, "Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind", erzogen worden, einem Erziehungsratgeber aus den 30ern. Da ging es eher um Zucht, Unterwerfung und Reinlichkeit. Ein bisschen wirkt das in meiner Erziehung nach – bei unseren Kindern hoffentlich nicht mehr. Ich fürchte, denen gebe ich wieder neue Probleme mit.
Ich wurde dann mit zwei anderen am Abend vor der Konfirmation getauft. Dass wir drei dann am nächsten Tag beim Segen mit vorne am Altar standen, fand ich schön. Aus dieser Zeit stammt auch meine starke Bindung an die evangelische Kirche.
Fühle ich mich getauft? Ja. Das verbindet mich schon irgendwie mit anderen Getauften, wenn auch nicht unbedingt geistlich. An meine eigene Taufe denke ich oft intensiv zurück – nicht nur wegen der Taufe unseres Kindes. Auch wenn wir Taufen in der Verwandtschaft feiern oder wenn im Regionalteil der Zeitung Taufanzeigen stehen. Unsere Nachbarn haben ihren Sohn taufen lassen – nicht wie viele sonst am Samstagnachmittag, sondern am Sonntag früh im Gemeindegottesdienst. Das hat schon was.
Nun taufen wir unser Kind katholisch. Wir wollten es ohnehin taufen lassen.
Sie:
Natürlich bin ich noch katholisch. Was heißt eigentlich noch? Klar steht man seiner Kirche mal näher und ferner, aber es bleibt eine Bindung. Die ist mir auch wichtig. Es ändert sich so viel, aber egal, wo ich hingezogen bin im Studium und später im Büro – überall gab es eine katholische Kirche. Und überall habe ich den Gottesdienst wieder erkannt. Mich zu Hause gefühlt. Das gibt schon ein starkes Gefühl von Bindung.
Dass mein Kind katholisch getauft wird, ist ja eigentlich keine Frage. Auch wenn ich mich über die Frage, ob die Taufe katholisch oder evangelisch wird, nicht zerstreiten würde. Aber das war mir seit unserer ökumenischen Trauung klar. Also, mir kam es schon fast wie ein Versprechen vor im Traugespräch. Unserem Priester war es eher peinlich. Wir kennen uns so lange, und das Kind sei doch kein kirchliches Eigentum, das man mit einer Taufmarke versehen müsse, meinte er. Natürlich hätten wir auch in der evangelischen Kirche die Taufe feiern können. Meinem Mann war das nicht so wichtig. Also habe ich irgendwann gesagt, ich will mein Kind katholisch taufen lassen, damit mal Schluss ist mit dem Hin und Her!
Ob mir in meinem Glauben Freiheit fehlt? Nein, so nicht. Wer füllt mir diesen Begriff? Freiheit ist das, was ich selbst daraus mache. Mein Mann sagt manchmal, ich sei freiheitsscheu. Vielleicht ist das katholisch? Und wenn, dann bin ich gerne katholisch.
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Im Deutschunterricht in der elften Klasse sollte ich ein Lied des österreichischen Sängers Georg Danzer interpretieren: "Die Freiheit ist ein wundersames Tier – / und manche Menschen haben Angst vor ihr. / Doch hinter Gitterstäben geht sie ein, / denn nur in Freiheit kann die Freiheit Freiheit sein." Der Lehrer wollte darauf hinaus, dass ja Freiheit wichtig ist und dass man etwas gegen die Verhältnisse tun soll. Aber eigentlich habe ich wirklich Angst vor diesem Tier. Muss das nicht furchtbar anstrengend sein, sich alles im Leben und im Glauben immer selbst erschließen zu müssen, um ja nichts übergestülpt zu bekommen?
Ich will manchmal einfach nur wissen, wo es langgeht. Was gut und was böse ist. Nicht, weil ich zu doof oder zu klein wäre. Aber weil ich realistisch genug bin, dass ich nicht selbst der Maßstab aller Dinge bin. Sind denn alle wirklich so furchtbar frei? Erst sagen sie es. Und am Ende liefen in der Schule trotzdem alle mit den gleichen Aufnähern rum. Und jetzt fahren sie trotzdem alle mit den gleichen Kombis ihre Lillifee-Kinder zum Kindergottesdienst.
Die Taufe engt nicht ein. Sie bindet. Mit der Taufe eröffnen wir unserem Kind eine eigene Welt. Nie hätte ich gedacht, wie wichtig uns unsere Bindungen an unseren jeweiligen Glauben sind. Und dass meinem Mann und mir gleichzeitig auch wichtig ist, dass unser Kind Teil dieser großen christlichen Gemeinschaft wird. Gerade bei der Entscheidung, wie wir unser Kind taufen lassen, wird unser Leben ökumenisch. Denn alle feiern ja mit und erkennen diese Taufe an.