Das Kirchenjahr vollzieht in Festen das Leben Jesu nach und will es erfahrbar machen: Weihnachten als Fest der Geburt Jesu, Karfreitag feiern wir Jesu Tod, Ostern seine Auferstehung. Ist die Himmelfahrt nur ein Nachtrag zur Auferstehung?
Mit Ostern schließen drei von vier Evangelien ihren Bericht vom Leben und Wirken Jesu. Die Auferstehung ist das Schlusskapitel der Evangelien und der Schlüssel zur Deutung der Lebensgeschichte Jesu.
Jesus weilt nicht mehr unter den Menschen
Nur der Evangelist Lukas berichtet von der Himmelfahrt Jesu: "Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel." (Kap. 24,51). Zwar erwähnt auch das Markusevangelium die Himmelfahrt, allerdings im später hinzugefügten Schlusskapitel 16,9-20, das wohl (auch) von Lukas abhängig ist. Zum bevorzugten Motiv in der bildenden Kunst wurde der Satz aus der Apostelgeschichte nach Lukas: "Eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken" (Apg 1,9).
Aber auch Lukas schildert die Himmelfahrt Jesu nur am Rande, zentral ist sie bei ihm nicht. Viel mehr Platz nimmt bei ihm die Pfingstgeschichte ein, die Ausgießung von Gottes Geist auf die versammelte urchristliche Gemeinde. Himmelfahrt ist – ohne es abwertend zu meinen – eine Durchgangsstation von Ostern zu Pfingsten.
Die Ostergeschichten im neuen Testament sagen aus, dass Jesus nicht im Tode geblieben ist, sondern lebt. Sie betonen, dass der Gekreuzigte derselbe ist wie der Auferstandene. Ausdruck dieser Identität sind die Wundmale der Kreuzigung auch am Leib nach der Auferstehung. Auch wenn dieser Körper nach der Auferstehung ein anderer ist, so ist Jesus doch derselbe. Er begegnet nach seiner Auferstehung verschiedenen Menschen – bis zu seiner Himmelfahrt. Sie ist das Ende dieser Begegnungen.
Die Himmelfahrt ist Sinnbild dafür, dass Jesus nicht mehr unter uns Menschen auf der Erde weilt. Der Himmel ist danach kein geografischer Ort ("sky"), sondern der Herrschaftsbereich Gottes ("heaven"). Wenn es im Glaubensbekenntnis heißt "...aufgefahren in den Himmel", bedeutet dies nach christlichem Verständnis, dass der auferstandene Christus "bei Gott ist". Im späteren Schluss des Markus-Evangeliums heißt es in bildhafter Sprache, "er setzte sich zur Rechten Gottes" (Markus 16,19). Von Gott wird Jesus als "Exekutivchef" (Hans Klein auf bibelwissenschaft.de) eingesetzt wird. Ab diesem Zeitpunkt ist er der "Herr" über die Welt, "dem alles unter seine Füße gelegt wurde" (Psalm 8,7).
Himmelfahrt ist Vatertag
Himmelfahrt ist die Erklärung dafür, dass Jesus zwar lebt und regiert, aber nicht mehr in körperlicher Gestalt bei seinen Jüngern ist. Matthäus und Markus bemühen diese Deutung nicht, sondern beschließen ihr Evangelium mit Sendungsworten – sie stellen ein Vermächtnis und Auftrag dar, Jesu Botschaft in die Welt zu tragen. Ab da ist Jesus weiterhin bei seinen Jüngern, aber mit seinem Geist, für den es im Neuen Testament verschiedene Namen gibt, wie Tröster oder Beistand – oder "Heiliger Geist", wie es im Glaubensbekenntnis heißt. Mit diesem Geist, mit Jesu Geist, mit dem Heiligen Geist, – so glauben es Christen – ist Jesus auch heute noch unter ihnen. Im Geist, nicht leibhaftig ist Jesus heute gegenwärtig. Dieser Geist ermöglicht es Christen, Gott Vater zu nennen, weil Gott auch der Vater Jesu Christi ist.
Bildhaft kommt dieser Geist beim ersten Pfingstfest zu den Urchristen, durch den Geist ist Gott jetzt bei ihnen – bis zum heutigen Tage, so das biblische Zeugnis. Christi Himmelfahrt ist ein Bild dafür, dass er nicht mehr auf der Erde ist. Es ist keine zentrale Glaubensaussage. Entscheidend ist dagegen, dass Jesus bei Gott ist, den alle Menschen durch ihn auch Vater nennen können. So verstanden ist Himmelfahrt Vatertag – auch und gerade für Christen.
Dieser Artikel von Ralf Peter Reimann, zuerst erschienen am 6. Mai 2013, wurde am 21. April 2016 von evangelisch.de bearbeitet und ergänzt.