"Die Theodizee-Nummer tanze ich im Glitzer-Jackett"

Foto: Getty Images/iStockphoto/Georg Winkens
"Die Theodizee-Nummer tanze ich im Glitzer-Jackett"
Humoristische Verkündigung im Pfarrer-Kabarett
Ingmar Maybach ist evangelischer Pfarrer, von seiner Landeskirche freigestellt für die humoristische Verkündigung. Seit acht Jahren tourt er als Pfarrer Maybach durch die Republik. Ein Interview über Karneval, Kirche und Kritik an Satire.

Was haben Karneval, Kabarett und Kirche miteinander zu tun?

Ingmar von Maybach-Mengede: Da wo Karneval stattfindet ist man als Kirche gefragt sich dem zuzuwenden. Ich war zuletzt in einem kommunistischen Karnevalsdorf Pfarrer. (In Ueberau im Odenwald). Und da habe ich mich sowohl dem Kommunismus als auch dem Karneval in ökumenischer Begegnung zugewandt.

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Was ist ein kommunistisches Karnevalsdorf?

Maybach-Mengede: Im Dorf wählen die Leute immer zwischen 30-40 Prozent die DKP. Zudem gibt es eine starke Karnevalstradition. Deswegen habe ich immer eine Karnevalspredigt gemacht, wo dann der Elferrat eingezogen ist und in der ersten Reihe gesessen hat. Und ich habe die Predigt entsprechend in Versform gehalten. Wenn man eine Karnevalsgemeinde hat, ist man als Pfarrer genauso gefragt, so wie man sich sonst auch mit der Feuerwehr oder dem Schützenverein auseinandersetzt. Mir fiel das natürlich besonders leicht, weil ich seit nun 15 Jahren Kabarett mache.

Sie schreiben auf Ihrer Website, sie fühlten sich in Ueberau wie Don Camillo.

Maybach-Mengede: Dort leben evangelische Kommunisten. Mein Ortsvorsteher, der Peppone, der war auch Gemeindemitglied und hat an Weihnachten den revolutionären Hirten gespielt. Unsere Hauptstraße heißt Karl-Marx-Straße. Und in einer Frauengruppe habe ich mal einen Vortrag gehalten: Kommunist und Christ, geht das zusammen? Nein, wegen des eschatologischen Vorbehaltes. Aber im Diesseits können wir gut zusammen arbeiten.

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Wie haben Sie gemerkt, dass Ihre Bestimmung nicht nur auf der Kanzel, sondern auch auf der Kabarett-Bühne liegt?

Maybach-Mengede: Ich mache seit 15 Jahren politisches Kabarett. Das Babenhäuser Pfarrerkabarett hatte mich mal eingeladen, als ich noch Vikar war. Das hat gut geklappt. Und deswegen habe ich seit acht Jahren den Schwerpunkt auf Kirchenkabarett gelegt. Die Nachfrage wuchs, sodass ich zuerst auf eine halbe Stelle reduziert habe und vor dreieinhalb Jahren habe ich mich von der Landeskirche komplett freistellen lassen: zur humoristischen Verkündigung. Seitdem mache ich hauptberuflich Kabarett.

Wie vertragen sich Kirche und Lachen? Darf man über die evangelische Kirche lachen?

Maybach-Mengede: Es ist ein Unterschied, ob ich über jemanden oder mit jemandem lache. Da ich ja als Pfarrer und Christ Teil der Kirche bin, mache ich den Humor von innen heraus. Und das tut sehr gut. Gerade wenn man mit sehr ernsten Themen unterwegs ist, wie es der Glauben ist. Ich stelle mich neben mich und mache mich darüber lustig, was ich so treibe. Ich nehme mich nicht so ernst und nehme so Abstand zum Geschehen.

"Das sind hochphilosophische Fragen, die ich am Beispiel AfD durchdekliniere"

Dann ist das Kabarett auch ein Ventil für Sie?

Maybach-Mengede: Es ist eher so, dass ich zum Beispiel die für mich wichtige Theodizee-Frage behandele und eine bunte Revue-Nummer daraus mache. Da zitiere ich Gottfried Leibniz' Antwort auf die Theodizee-Frage und versuche sie locker zu vermitteln. "Diese Wirklichkeit in der wir leben, ist die bestmöglich denkbare." Und das dekliniere ich dann durch in einem fröhlichen Lied. Was wäre wenn Gott eine Sache, die uns stört, von heute auf morgen abschaffen würde, wie sähe die Wirklichkeit dann aus?

Was schaffen wir heute ab?

Maybach-Mengede: Nichts, denn wenn wir das konsequent zu Ende denken würden und beispielsweise den Tod abschaffen und nicht mehr sterben, das hätte schreckliche Konsequenzen. Oder wenn man die AfD von heute auf morgen abschaffen würde und sie unmöglich würde, dann wäre der freie Wille nicht mehr möglich. Das sind hochphilosophische Fragen, die ich am Beispiel AfD durchdekliniere.

Das hört sich alles sehr ernst an.

Maybach-Mengede: Genau, aber die Theodizee-Nummer tanze ich im Glitzer-Jackett. Im Rheinland ist der Karneval ja auch eine ernste Sache. Wenn ich jetzt in meinem eigenen Dorf bin, dann habe ich auch immer einen Karnevalsgottesdienst angeboten. 

Evangelische Christen sind ja angeblich humorbefreiter als Katholiken. Widersprechen Sie?

Maybach-Mengede: Also Karneval ist zwar eine katholische Tradition, aber uns tut es auch gut, uns nicht zu ernst zu nehmen. Es ist gut und richtig, dass wir uns im Glauben und der Kirche den ernsten Themen des Lebens zuwenden, aber um dabei nicht zu verbittern, ist es auch wichtig die Fröhlichkeit im Leben zu sehen und wahrzunehmen. Wenn man sich neben die ernsten Dinge stellt, tut es gut, einen freien Blick darauf zu kriegen, wenn man den Humor dabei behält. 

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Sie touren mittlerweile durch ganz Deutschland. Gestern Abend waren Sie in Erfurt.

Maybach-Mengede: In Ostdeutschland ist das Kirchenkabarett auch mal eine Gelegenheit niederschwellig in die Kirche zu kommen. Die Kirchen sind hier richtig voll, auch auf dem Dorf, wenn ich auftrete. Und die Hälfte der Leute hat der Pfarrer unter Umständen noch gar nicht gesehen. Die Leute sagen dann: Wir zahlen ja keine Kirchensteuer, aber wenn wir Eintritt zahlen, dann können wir ja auch mal reinkommen. Sie können natürlich auch trotzdem in jeden Gottesdienst kommen, aber da ist die Hemmschwelle anscheinend höher. 

Haben Sie eine Mission? 

Maybach-Mengede: Ja, ich begreife das, was ich tue, als humoristische Verkündigung, die Menschen neu erreicht. Es geht zum einen darum für die Menschen, die in der Kirche sind, einen neuen Blick auf das eigene Treiben zu ermöglichen: einen Blick auf das Innenleben des Predigtschreibens, des Pfarrhauses, zum Beispiel. Zum anderen mache ich Kabarett für Leute, die der Kirche distanziert gegenüberstehen, um ihnen einen neuen Blick überhaupt zu ermöglichen. 

Wie bekommen Sie zu sich selbst Distanz? 

Maybach-Mengede: Ich bin selbst auch im Pfarrhaus aufgewachsen. Die Skurrilität dieses Lebens auf dem Präsentierteller, das ist sehr einfach das von innen heraus zu beschreiben. Und Humor funktioniert am besten, wenn man sich selbst miteinbezieht. 

Die sixtinische Angela

Haben Sie schon Kritik für die Witze bekommen, die sie machen? 

Maybach-Mengede: Ja, für mein Plakatmotiv. Da gibt es durchaus heftige Kritik manchmal. Manche meinen, da würde sich ein evangelischer Pfarrer über Maria lustig machen, aber in diesem Programm geht es um Angela Merkel und nicht um Maria. Die Nummer zu dem Plakat ist: "Angela Merkel als die Madonna des Protestantismus". Mein Thema ist, dass wir von einer evangelischen Pfarrerstochter regiert werden.

Wie gehen Sie mit Kritik um? Und was sagen Sie zu Charlie Hebdo?

Maybach-Mengede: Für mich ist wichtig: Ich mache mich über meine eigenen Dinge lustig. Es gibt für mich keine Veranlassung mich über den Islam oder den Katholizismus lustig zu machen. Mit AfD und "Pegida" ist das aber etwas anderes. Wenn bei "Pegida" Leute als christliches Abendland auf die Straße gehen, dabei noch schwarz-rot-goldene Kreuze schwenken, da bin ich dann als Christ gefragt. Denn es geht um das Verständnis meiner Religion. Ich muss klar sagen: Wir sollen die Fremdlinge nicht bedrücken, weil wir als Christen selbst wissen, was es bedeutet fremd zu sein. Das ist eine innerchristliche Auseinandersetzung. In Bezug auf Charlie Hebdo ist es wichtig zu sagen: Satire darf alles. Für mich als Kirchenkabarettist sage ich, um mit Paulus zu sprechen: Alles ist uns erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten (1. Korinther 6,12).