Seit 1993 haben nicht mehr so viele Menschen Asyl in Deutschland gesucht wie im vergangenen Jahr. Insgesamt 202.834 Personen wollten 2014 nach dem aktuellen Bericht des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Aufenthaltsrecht in Deutschland beantragen. Dabei handelte es sich um etwa 173.000 Erst- und rund 30.000 Folgeanträge. Damit haben 58 Prozent mehr Menschen einen ersten Asylantrag an die Bundesrepublik gestellt als im Vorjahr. Auch die Zahl der Folgeanträge hat sich mit 71 Prozent deutlich erhöht.
Angesichts der vielen Krisen ist die Zahl allerdings verhältnismäßig gering, denn seit Anfang 2014 sind weltweit rund 51 Millionen Menschen auf der Flucht. Das entspricht in etwa der Bevölkerung Spaniens. Seit dem zweiten Weltkrieg hat es nicht mehr so viele Flüchtlinge gegeben. Grund für den erneuten Anstieg ist nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) vor allem der Krieg in Syrien. Rund 33 Millionen Flüchtlinge leben als sogenannte Binnenvertriebene, die innerhalb des eigenen Landes fliehen mussten. Neun von zehn Flüchtlingen leben in Entwicklungsländern, weil sie lediglich in ein Nachbarland fliehen. Pakistan, der Iran und der Libanon nehmen derzeit die meisten Flüchtlinge auf.
Trotz der aktuellen Situation wurden im Jahr 1992 etwa doppelt so viele Asylanträge an Deutschland gestellt wie 2014. Nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hatten damals rund 438.000 Menschen einen Asylantrag an die Bundesrepublik gestellt, nur etwa 4,3 Prozent davon wurden bewilligt.
Durch die Bürgerkriege, die mit dem Zerfall Jugoslawiens entstanden, flohen in den 90er Jahren Millionen Menschen vor Verfolgung aufgrund ihres ethnischen Hintergrunds oder ihrer religiösen Überzeugung. Eine vermeintliche "Überschwemmung" durch Flüchtlinge führte zu einer kontroversen Debatte um die Zuwanderung in Deutschland und wurde von einigen extremen, fremdenfeindlichen Anschlägen begleitet. 1993 wurde daraufhin eine Asylrechtsreform verabschiedet: Die Verfahren sollten beschleunigt und ein vermeintlicher "Asylmissbrauch" verhindert werden.
Eingeschränktes Asylrecht
Damit wurde allerdings auch die ursprüngliche Botschaft "Politisch Verfolgte genießen Asylrecht" von Artikel 16 des Deutschen Grundgesetzes stark eingeschränkt. Flüchtlinge aus Ländern, die als "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft sind, haben in der Regel keine Chance mehr auf Asyl. Mit der Änderung des Asylrechts, die der Bundestag im vergangenen September beschlossenen hat, gehören nun auch Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien dazu. Die Einreise über sogenannte "sichere Drittstaaten", die Deutschland komplett umgeben, berechtigt zudem nicht mehr zu Asyl. Auf dem Landweg ist die Bundesrepublik für Flüchtlinge also kaum mehr legal zu erreichen.
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Deutschland hat den absoluten Zahlen nach die meisten Flüchtlinge in Europa aufgenommen. Ein Blick auf die Pro-Kopf-Verteilung zeichnet allerdings ein anderes Bild: Im Verhältnis zur Einwohnerzahl werden die meisten Asylanträge laut des Statistischen Amts der Europäischen Union in Schweden gestellt. Pro Million Einwohner waren es im zweiten Quartal 2014 1.960 Bewerber. Malta steht mit 945 Bewerbern pro Million Einwohner auf Platz zwei. Deutschland ist nach dieser Rechnung hinter den Niederlanden und Zypern an fünfter Stelle zu finden. 470 Bewerber wurden von der Bundesrepublik pro Million Einwohner aufgenommen. Länder wie Portugal, Spanien, Tschechien und die Slowakei erhielten verhältnismäßig wenige Asylanträge.
Das Hauptherkunftsland der Menschen, die 2014 einen Asylantrag an Deutschland stellten, ist Syrien. Rund 39.000 Menschen waren vor Terror und Bürgerkrieg in die Bundesrepublik geflohen. Das macht rund 23 Prozent aller Anträge aus. Mit mehr als 17.000 Erstanträgen liegt Serbien auf Platz zwei der Herkunftsländer. Über 13.000 Menschen kamen aus dem vom Bürgerkrieg zerrütteten Eritrea nach Deutschland, um Asyl zu beantragen. Auch aus Afghanistan, Albanien, den Balkanstaaten, Somalia und dem Irak stellten viele Menschen einen ersten Asylantrag an die Bundesrepublik.
41.000 Anträge wurden anerkannt
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat im vergangenen Jahr rund 129.000 Entscheidungen über Asylanträge abgeschlossen. Die Schutzquote dabei lag bei 31,5 Prozent. Damit wurden rund 41.000 Menschen als Flüchtlinge oder Asylberechtigte anerkannt, ihnen wurde ein subsidiärer Schutz zuerkannt oder es wurde ein Abschiebungsverbot festgestellt. Etwa 33 Prozent der Anträge wurden abgelehnt. In 35 Prozent der Fälle handelte es sich um formelle Entscheidungen, bei denen das BAMF keine inhaltliche Aussage traf. Diese Fälle hatten sich schon vor der Antwort erledigt, weil etwa ein anderer EU-Staat zuständig war, der Antrag zurückgezogen wurde, oder sich der Aufenthaltsstatus durch Heirat verändert hatte.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) bezeichnet 2014 als "das tödlichste Jahr für Flüchtlinge". Bis September seien bereits rund 3.000 Menschen bei dem Versuch, über das Mittelmeer nach Europa zu fliehen, gestorben. Zusätzlich vermutet die IOM eine hohe Dunkelziffer. Die Zahl ist etwa viermal so hoch wie im Jahr 2013, als das Unglück vor Lampedusa mit mehreren hundert ertrunkenen Bootsflüchtlingen für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt hatte.
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2014 wurde zudem die italienische Hilfsaktion "Mare Nostrum" beendet. Küstenwache und Marine retteten dabei innerhalb eines Jahres etwa 100.000 in Seenot geratene Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Die Kosten von fast 10 Millionen Euro monatlich seien allerdings zu hoch und die Flüchtlingsrettung eine gesamteuropäische Aufgabe, entschied die Regierung in Rom. Mittlerweile ist die EU-Grenzorganisation Frontex allein für die Überwachung der europäischen Grenzen verantwortlich. Fraglich ist, inwiefern Frontex die Seenotrettung finanziell und organisatorisch mit der Mission "Triton" fortführen kann, denn Budget und kontrolliertes Gebiet sind viel kleiner. Der Hauptauftrag von "Frontex" ist zudem die "Sicherung der Grenzen".
Im November hatte eine Untersuchung des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) für Aufsehen gesorgt. Demnach zahle jeder Ausländer pro Jahr durchschnittlich 3.300 Euro mehr Steuern und Sozialabgaben als er an staatlichen Leistungen erhalte. 2012 ergab das bei 6,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass einen Überschuss von 22 Milliarden Euro. Damit wiederlege die Studie die weit verbreitete Meinung, dass Zuwanderer dem Sozialsystem zur Last fielen und Deutschland zur "sozialen Reparaturwerkstatt Europas" machten, wie es CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer einst formulierte. Der Studie zufolge könne der Betrag deutlich ansteigen, wenn das Bildungsniveau von Zuwanderern gefördert werde.