Diese beiden lieben sich, das sieht man. Immer wieder legt Bernd Bollmus den Arm um seine Frau Ilona und küsst sie. Wenn sie von ihrer Hochzeit erzählt, gerät Ilona Bollmus ins Schwärmen: "Ich war die schönste Braut, ganz in Weiß".
Anders war das bei Edith und Michael Beaury. Die beiden mussten einige Monate warten, bis vom Standesamt das Okay kam. Die Standesbeamtin, offenbar noch nicht vertraut damit, geistig behinderte Menschen miteinander zu verheiraten, tat das, was ihre Aufgabe ist, besonders gründlich: Sie prüfte die Ehefähigkeit. "Sie erwartete von mir, dass ich ihr eine entsprechende Bestätigung schreibe", wundert sich Nicole Nadine Kalus, die als gesetzliche Betreuerin das Paar vor Behörden und Institutionen vertritt. Das aber sei nicht ihre Aufgabe, und so kümmerte sie sich vor allem darum, dass alle notwendigen Papiere vorlagen. Zum Beispiel auch der Personalausweis von Michael Beaury. "Der lag bei mir, denn Michael verliert gerne mal was", lächelt sie.
Wer sortiert die Wäsche und spült das Geschirr?
Nun durchlaufen die beiden die üblichen Höhen und Tiefen eines Ehelebens. Edith Beaury ärgert sich zum Beispiel darüber, dass ihr Mann Michael nicht im Haushalt hilft. Er dagegen sieht das nicht als seine Aufgabe, weil sie beschlossen hat, nach der Heirat nur noch Hausfrau zu sein. Er sagt: "Ich arbeite den ganzen Tag, da bin ich abends zu müde." Nach Hause kommen, erst einen Kaffee, dann eine Cola, dann essen und noch eine Zigarette und dann ins Bett – so spielt sich das abendliche Eheleben ab, wie es ihm behagt. Geschirr spülen, Müll rausbringen oder Wäsche sortieren haben da keinen Platz.
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"Er hat mir versprochen…" – ehe Edith Beaury erzählen kann, was ihr Mann Michael ihr versprochen hat, unterbricht er sie: "Das ist privat." Zwar kann er sich nur schwer artikulieren, doch die Details ihres Ehelebens will er für sich behalten, da ist er konsequent. Wie er um ihre Hand anhielt, das erzählt er allerdings stolz: Zu ihrem Geburtstag hat er ein Herz aus brennenden Teelichtern zusammengestellt. "Und dann bin ich auf die Knie und habe gefragt, willst du mich heiraten." Und was hat sie geantwortet? "Ja" sagt sie und lächelt. Edith Beaury ist keine Frau der großen Worte.
Die Entscheidung, zu heiraten, war für Edith und Michael Beaury schwierig zu treffen, hatten sie doch diese Zweisamkeit noch nie erprobt. Und auch das selbstständige Leben in einer eigenen Wohnung hatte zumindest Michael Beaury in seinen 42 Lebensjahren noch nie ausprobiert. Mit ihrer geistigen Beeinträchtigung lebten beide etliche Jahre in einem Wohnheim des Evangelischen Vereins für Innere Mission in Nassau (EVIM), sie in einer eigenen kleinen Wohnung, er in der stationären Betreuung. In der Werkstatt, wo sie beide arbeiten, kamen sie sich näher. Schließlich wuchs der Wunsch, das vor ihnen liegende Leben gemeinsam zu verbringen. Mit Unterstützung ihrer Betreuer fanden sie eine Drei-Zimmer-Wohnung, die ihren Bedürfnissen entspricht.
"Wenn er nicht hilft, schmeiße ich ihn raus"
Beide haben eine eigene Betreuungsperson. So ist gewährleistet, dass täglich Dinge besprochen oder gemeinsam umgesetzt werden: Einkaufen, Haushalt, Arztbesuche, aber auch Freizeitaktivitäten. "Ihre Beziehung ist ein wenig konfliktgeladen, daher ist der Betreuungsbedarf relativ hoch", sagt Petra von Knoop, die den Bereich betreutes Wohnen bei EVIM leitet. Die Sicht des jeweils anderen wahrzunehmen, auch einmal eigene Bedürfnisse zurückstellen – das sind Verhaltensweisen, die vor allem Michael Beaury, der sehr emotional handelt, erst langsam lernen muss.
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Beim Ehepaar Roswitha und Michael Nagler ist das kein Problem. Die beiden sind schon seit 15 Jahren verheiratet und sichtbar glücklich miteinander. "Sie haben eine beneidenswert harmonische Beziehung", sagt von Knoop. "Wir machen alles zusammen", bestätigt Roswitha Nagler. Ihr Mann schwingt den Staubsauger und versorgt die Meerschweinchen, sie teilen sich die gesamte Hausarbeit. Selbst bei der Arbeit in der Werkstatt für Behinderte nutzen sie die Pausen, um zusammen zu sein. Die 46-jährige Roswitha Nagler lernt dort gerade, eine Druckmaschine zu bedienen, und ihr 49-jähriger Mann verpackt Medizinartikel unter strengen hygienischen Bedingungen. Beide handeln sehr selbstständig und brauchen von daher weit weniger Betreuung als andere, meistens nur einmal in der Woche.
Einfach anders als im Wohnheim
Für die Paare ist der gemeinsame Weg mal mehr, mal weniger mühsam. Deswegen sieht Petra von Knoop es durchaus als positiv an, dass das Standesamt die Ehefähigkeit prüft: "Die Prüfung kann die Menschen auch davor schützen, ungewollt und unbemerkt von jemandem ausgenutzt zu werden."
Im Gespräch mit allen drei Paaren ist zu spüren, dass sie glücklich sind, in einer Beziehung zu leben und den Alltag gemeinsam mit einem anderen Menschen gestalten zu können. Denn eine Ehe in einer eigenen Wohnung – das ist einfach anders als das Leben in einem Wohnheim.