"Die gute Nachricht: Wir reden miteinander"

Luftverschmutzung
Foto: Getty Images/iStockphoto/michal kodym
"Die gute Nachricht: Wir reden miteinander"
Ein Interview mit Sabine Minninger, Klimareferentin des Hilfswerks Brot für die Welt, über die 20. UN-Klimakonferenz in der peruanischen Hauptstadt Lima.

Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Klimagipfels in Lima?

Sabine Minninger: Die Ergebnisse von Lima sind ein Minimalkonsens, der leider nicht den dringenden Erfordernissen angesichts des voranschreitenden Klimawandels entspricht. Die Welt ist zwar auf dem Weg zu einem globalen Klimaabkommen in einigen Bereichen ein kleines Stück vorangekommen. Doch insbesondere für die ärmsten und verletzlichsten Länder ist die Erklärung von Lima nicht ausreichend.

###mehr-artikel###

In meinen Augen ist diese Klimakonferenz eine verpasste Chance. Insbesondere bei Finanzierungszusagen sowie bei der Überprüfbarkeit der freiwilligen CO2-Minderungsziele wären ambitioniertere Ergebnisse möglich gewesen. Mangelnde Kompromissbereitschaft seitens einiger Industriestaaten und einiger Schwellenländer hat dazu geführt, dass die Klimaziele verwässert wurden.

Es ist beschämend, dass das für arme Länder wichtige Thema "Loss and Damage" (Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verluste) aus der Vorlage des Pariser Abkommens gestrichen wurde. Es ist nicht zu akzeptieren, dass die Opfer von Klimaschäden mit ihrem Leid von der Weltgemeinschaft alleine gelassen werden.

Warum ist der Verhandlungspunkt "Loss and Damage" aus Sicht der Länder des Südens so wichtig?

Minninger: Es geht dabei um Schäden, die durch die Klimaveränderungen bereits angerichtet wurden und nicht wieder gutgemacht werden können. Um den davon betroffenen Menschen Hoffnung auf ein würdiges Leben zu machen, muss die Weltgemeinschaft dafür Sorge tragen, dass hierfür auch die notwendigen Mittel bereit gestellt werden. Anders als bei Katastrophenhilfe handelt es sich hierbei um eine Verantwortung, die aus der globalen Klimapolitik erwächst.

Der Umgang mit klimabedingten Schäden und Verlusten ist bereits letztes Jahr bei der Konferenz in Warschau ein wichtiger Diskussionspunkt gewesen. Damals wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der sogenannte Warschau-Mechanismus. Doch diese AG ist sehr technisch und nicht mit ausreichend finanziellen Mitteln ausgestattet, um der Herausforderung dieses Themas adäquat zu entsprechen. Deswegen muss das Thema im Pariser Abkommen verankert werden, denn dieses wird der Klimavertrag sein, der für die kommenden Jahre politisch Richtungsweisend für die weltweite Klimapolitik ist.

"Die Kluft zwischen Nord und Süd konnte nicht überwunden werden"

Welche Lehren ziehen Sie aus den Verhandlungen von Lima, die bei weitem schleppender verliefen als zu Beginn angenommen?

Minninger: Dass die Kluft zwischen Nord und Süd nicht überwunden werden konnte. Es wurde deutlich, dass die Positionen von Industrie- und Schwellenländern doch noch sehr unterschiedlich sind. Es sind vor allem die großen Schwellenländer, die nach wie vor auf einer strikten Trennung dieser Ländergruppen beharren. Dabei gehören viele Staaten beider Gruppen gleichermaßen zu den Hauptverschmutzern mit CO2-Emissionen.

Gleichzeitig ist zu spüren, wie wenig Kraft bei dieser UN-Klimakonferenz die ärmsten und verletzlichsten Staaten haben. Nämlich gar keine. Sie wurden weder gehört noch wurden sie berücksichtigt. Diese Länder müssen auf dem Weg nach Paris gestärkt werden, damit noch Chancen bestehen, dass der globale Klimavertrag wenigstens etwas gerechter ausfällt, als es die Textvorlage von Lima vorsieht.

Konnte die Zivilgesellschaft Einfluss auf die Verhandlungen in Lima nehmen?

Minninger: Die Gruppen der Zivilgesellschaft haben zumindest dazu beitragen können, dass verstanden wurde, was die Ursachen der Kluft sind. Und dass diese Probleme in eine verständliche Sprache gebracht wurden, die auch außerhalb des UN-Geländes verstanden wird. Die Verhandlungen laufen sehr verklausuliert ab, und wenn man eine Sekunde nicht aufpasst, kann der Anschluss schon verpasst sein.

Wir konnten vermittelnd tätig werden, insbesondere für die ärmsten und verletzlichsten Länder. Ein Zeichen für den Erfolg dieser Arbeit ist, dass das Thema "Schäden und Verluste" auch in den Medien präsent war. Tenor: Lima steht für die Frage, ob mit den armen Staaten gut oder schlecht umgeht. Da konnten wir deutlich machen, dass auf diese Staaten keine Rücksicht genommen wurde. Es ist uns aber nicht gelungen, so zu vermitteln, dass die Kluft zwischen Nord und Süd abgeschwächt worden wäre.

Was sind die größten Schwächen des Ergebnisses der Lima-Konferenz?

Minninger: Das größte Problem ist, dass der Entwurf für den zukünftigen Vertragstext sehr schwach ist. Hier wurde nicht ernsthaft Klimaschutz betrieben. In dem Sinne, dass leider keine ambitionierten, zukunftsgerichteten Maßnahmen beschlossen wurden. Ich glaube nicht, dass es mit dem Pariser Abkommen möglich sein wird, die Temperaturen wie ursprünglich anvisiert unter zwei Grad zu halten. Die Mechanismen, die eingesetzt werden sollen, beispielsweise um die nationalen CO2-Minderungsziele vergleichbar und überprüfbar zu machen, sind viel zu schwach formuliert.

Was sind die positiven Aspekte dieser 20. Klimakonferenz?

Minninger: Die gute Nachricht ist, dass alle miteinander reden. Auch über die Probleme, die wir miteinander haben. Die Weltdemokratie ist nicht gefährdet. Und auch wenn das Ergebnis von Lima alles andere als ambitioniert ist, ist dies doch immer noch viel besser als gar kein Ergebnis. Denn wir werden uns auch noch die kommenden Hundert Jahre mit dem Thema beschäftigen, und wir können es uns nicht erlauben, den einzigen Prozess, der auf weltweite Klimapolitik anzielt, zu gefährden.