Krimi, Drama, sogar ein bisschen Thriller: "Weihnachten für Einsteiger" hat dem braven Titel zum Trotz eine Menge zu bieten; vor allem aber eine Liebesgeschichte, die sich eher subtil entfaltet, sowie mit Anna Fischer und Oliver Wnuk zwei wunderbare Hauptdarsteller. Genau genommen sind es drei, denn Monschau, die Perle der Eifel, liefert den großartigen Hintergrund für diese zutiefst romantische Komödie, in der sich ausgerechnet eine steckbrieflich gesuchte Trickbetrügerin als Weihnachtsengel entpuppt. Katharina ist zwar nur zufällig kurz vor Heiligabend in das Städtchen an der belgischen Grenze geraten, weil sie einen Mafia-Russen um einen Koffer voller Geld und vor allem eine wertvolle Ikone erleichtert hat und nun von seinen Schergen gejagt wird, doch offenbar hat sie der Himmel geschickt.
Femme fatale mit blonder Perücke
Anna Fischer ist immer noch nicht dreißig, hat aber schon in fast fünfzig Filmen mitgewirkt und dabei oft genug junge Frauen zum Verlieben verkörpert; am schönsten vielleicht in "Groupies bleiben nicht zum Frühstück". Den zweiten Platz auf dieser Liste nimmt ab sofort "Weihnachten für Einsteiger" ein, zumal die Berlinerin mittlerweile nicht mehr bloß junge, sondern auch "echte" Frauen spielen kann. Durch den flotten Prolog stöckelt sie als hinreißende Femme fatale mit blonder Perücke, unter der sie kaum zu erkennen ist. Deshalb wirkt es auch etwas unglaubwürdig, dass die Schläger des Russen sie später trotzdem identifizieren, aber das stört nicht weiter, denn ihre Flucht treibt sie buchstäblich in die Arme von Matthias, der verzweifelt versucht, die elterliche Daunenfabrik vor der Pleite zu retten. Oliver Wnuk versieht diesen stillen Helden, der den Betrieb vor allem für die Mitarbeiter erhalten will, mit so viel innerer Ruhe, das schon das Heben der Augenbrauen wie ein Ausrufezeichen wirkt. Die Gegensätzlichkeit der Figuren, aber auch die unterschiedlichen Spielstile machen den großen Reiz dieses Films aus. Und natürlich die Ungewissheit, ob Katharina es wirklich ernst meint mit ihrem Engagement ohne Eigennutz: Eigentlich waren die 30.000 Euro des Russen bloß das Eintrittsgeld zu einem noch viel größeren Coup, den ihr Kumpan Rocko (Barnaby Metschurat) eingefädelt hat. Als nicht nur er, sondern auch die Russen in Monschau auftauchen, muss sich Katharina entscheiden.
Regisseur Sven Bohse, dessen Drehbuch auf einer Vorlage von Adrienne Bortoli und Ulrike Zinke basiert, hat vor zwei Jahren bewiesen, dass man auch mit wenig Geld abendfüllend unterhalten kann: Die romantische Sat.1-Komödie "Unter Umständen verliebt" (ebenfalls mit Wnuk) trug damals maßgeblich zur Diskussion bei, das Fernsehen spare seine Filme kaputt. "Weihnachten für Einsteiger" ist sichtbar aufwändiger, und das nicht nur wegen der mit Zeitlupenelementen versetzten Verfolgungsjagd gleich zu Beginn. Der Film ist deutlich bilderreicher, die Umsetzung ist jung und ansprechend, die Handlung hat viele Facetten, darunter eine zweite Liebesgeschichte zwischen Polizistin Janine (Sonja Gerhard) und Kalle (Patrick Mölleken), dem jüngeren Bruder von Matthias. Kalle ist ins Visier von Wiebke (Susanna Simon) geraten; sie leitet das örtliche Hotel.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Dank Katharinas Vermittlung bedeutet Wiebkes Großauftrag die Rettung für Matthias und seinen Betrieb, und das ist bei weitem nicht die einzige gute Tat des Weihnachtsengels; viele der entsprechenden Geschichten erzählt Bohse bloß am Rande. Die Bildgestaltung (Henner Besuch) ist ebenfalls vorzüglich, die Musik (Jessica de Rooij) sorgt zwischen den vielen Weihnachtsliedern immer wieder für Kontrapunkte. Ein sehr schön ausgedachter, ausgezeichnet umgesetzter und gespielter Weihnachtsfilm, der mit dem malerischen Monschau und seinen verwinkelten Fachwerkarchitektur zudem einen großartigen Schauplatz zu bieten hat.