Die Christin im Präsidentenpalast von Kabul

Rula Ghani
Foto: dpa
Rula Ghani spricht auf einer Konferenz der staatlichen amerikanischen Hilfsorganisation USAID in Kabul.
Die Christin im Präsidentenpalast von Kabul
Lula Ghani, die christliche Gattin des afghanischen Präsidenten, prägt einen neuen Stil in Afghanistan. Sie sympathisiert sogar mit dem Burka-Verbot in Frankreich. Doch manchmal muss sie zurückrudern.
04.01.2015
epd
Agnes Tandler

Sie wagt sich auf dünnes Eis: Rula Ghani, Afghanistans neuer First Lady, ist das bewusst. Bereits in den ersten Wochen der Präsidentschaft ihres Mannes Ashraf Ghani hatte die 66-Jährige für Erstaunen gesorgt. In einem streng konservativen islamischen Land wie Afghanistan, wo viele Männer ihre Frauen aus der Öffentlichkeit fern halten, geht sie neue Wege.

Anders als ihre Vorgängerin Senat Karsai, die nur sehr selten in Erscheinung trat, scheut die gebürtige Libanesin die politische Bühne nicht. Auf einer Konferenz der staatlichen amerikanischen Hilfsorganisation USAID im November 2014 in Kabul machte sich Ghani für bessere Bildungschancen für Frauen in Afghanistan stark. Dass Mädchen in die Schule gehen, ist am Hindukusch immer noch nicht selbstverständlich. Rund 80 Prozent der Frauen können nicht lesen und schreiben.

Die neue Frau im Präsidentenpalast wirkt offen und weltgewandt, wenn sie mit ihrem französischen Seiden-Kopftuch und doppelreihiger Perlenkette ausländische Gäste empfängt. Auch wenn es in Afghanistan keine gesetzlich vorgeschriebene Kleiderordnung für Frauen gibt, tragen selbst gebildete Frauen meist einen Schal und ein langes Gewand, um alles bis auf ihr Gesicht zu bedecken.

Tochter einer Familie syrisch-maronitischer Christen

Die Burka, ein Ganzkörperkleid mit Sehschlitzen, ist in Afghanistan weit verbreitet. Da war es kein Wunder, dass ein Kommentar zum Verschleierungsverbot in Frankreich die First Lady in die Bredouille brachte. "Wenn es um das französische Gesetz gegen den Ganzkörperschleier geht, der die Frauen daran hindert, sich frei zu bewegen und zu sehen... dann bin ich voll auf der Seite der französischen Regierung", sagte Ghani kürzlich in einem Interview.

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Wenig später musste sie zurückrudern. Der Präsidentenpalast veröffentlichte ein Statement, indem erklärt wurde, dass Ghanis Aussage aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Afghanische Frauenrechtlerinnen sprangen ihr bei. "Es gibt keinen Zweifel daran, dass es einige Leute gibt, die versuchen, Rula Ghanis Wirken für die Frauen in Afghanistan zu behindern", sagte Maduda Saraj im afghanischen Fernsehen. Auch andere verteidigten Ghanis Haltung: "Ich glaube nicht, dass ihre Unterstützung des Verbotes im Widerspruch zum Schleier oder zu religiösen Werten steht", erklärte die Frauenrechtlerin Humaira Kaderi.

Der Hinweis auf die Religion ist nicht zufällig. Rula Ghani ist Christin in einem fast rein muslimischen Land, in dem es nicht einmal eine Kirche gibt. Sie wurde 1948 im Libanon als Tochter einer Familie syrisch-maronitischer Christen geboren. An der Amerikanischen Universität in Beirut lernte sie ihren künftigen Ehemann kennen, den heutigen Präsidenten Aschraf Ghani.

Keine unsichtbare Präsidentengattin

Die beiden heirateten 1975 und zogen wenig später nach Afghanistan. Es war ein kurzes Intermezzo. Bereits 1977 gingen beide in die USA: Rula Ghani studierte Journalismus an der Columbia-Universität in New York, während ihr Mann dort Anthropologie studierte und später eine Karriere bei der Weltbank begann. Die Ghanis wurden amerikanische Staatsbürger. Erst 2002 kehrten sie nach Afghanistan zurück, als Aschraf Ghani Finanzminister in der Regierung von Präsident Hamid Karsai wurde.

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In der Zeit arbeitete Rula Ghani für Aschiana (zu Deutsch: "Nest") - eine Hilfsorganisation, die sich um Familien und Kinder kümmert, die auf der Straße leben. Jahrzehnte des Bürgerkriegs haben Hunderttausende Menschen in Afghanistan obdachlos gemacht. Vom Staat kommt nicht viel Unterstützung. In seiner Antrittsrede als Staatschef im September 2014 lobte Aschraf Ghani seine Frau öffentlich für ihre Arbeit. Damit war klar, dass sie keine "unsichtbare Präsidentengattin" sein wird wie ihre Vorgängerin.

Dass eine Christin im Präsidentenpalast sitzt, kommt nicht bei allen gut an: "Wir brauchen einen muslimischen Präsidenten und seine Familie soll muslimisch sein", warnte der konservative Abgeordnete Kasi Nasir Ahmad Hanafi. Der Palast könnte wegen der Christin gestürmt und zerstört werden. Und der Gouverneur der Balch-Provinz, Atta Mohammad Noor, erklärte, Rula Ghani und ihre beiden Kinder seien keine Afghanen. Die First Lady reagierte. Kürzlich nahm sie den afghanischen Namen "Bibi Gul" an.