12) Wie in den vergangenen Medienrevolutionen wird es auch bei der Digitalisierung der Gesellschaft darauf ankommen, christliches Leben und kirchliche Praxis an-gemessen zu interpretieren und beispielhaft zu zeigen, dass Freiheit in Gemein-schaft möglich wird. Dabei erscheinen die Inhalte digitaler Kommunikation radikal auf die Person zentriert: Sie sind von Nutzerinnen und Nutzern selbst produziert, knüpfen in ihrer Ausrichtung an deren Lebensrealität an und werden in der Rezeption der Kommunikation von Vielen zu Vielen selbstgesteuert ausgewählt. Sowohl Informationsströme als auch die für die Gestaltung sozialer Beziehungen entscheidend wichtigen Prozesse gegenseitiger Wertschätzung und Anerkennung verlaufen durch elektronisch gestützte Kommunikation. Hier liegen große Potenziale, die die digitale Kommunikation für die Verwirklichung menschlicher Freiheit und die Entfaltung der Persönlichkeit bietet.
13) Die durch die digitale Vernetzung ausgelösten Kommunikationsmöglichkeiten verändern den Umgang mit der Polarität zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit. Im Netz wird Vieles hoch persönlich kommuniziert, das in der individuellen Perspektive die eigene Privatsphäre dennoch nicht verletzt. Dinge und Zusammenhänge werden öffentlich gemacht, die zuvor kaum als öffentliche Sache angesehen worden wären. Ein Verständnis der neuen Teil-Öffentlichkeiten des Netzes entsteht erst langsam. Die Verschiebungen, die die Digitalisierung menschlicher Kommunikation im Verständnis von Privatheit und Öffentlichkeit bewirken, haben Konsequenzen. Es ist darum nötig, eine neue Balance von privat und öffentlich zu finden.
14) Die Gesellschaft muss damit umgehen, dass die digitale Erstellung, Aufbereitung und Vernetzung von Inhalten auch Informationen mit Personenbezug zeitlich und örtlich unbegrenzt verfügbar macht und dass „das Netz“ potenziell „nichts vergisst“. Dagegen lässt sich ein „Recht auf Vergessenwerden“ stellen, wie es etwa der Europäische Gerichtshof 2014 überzeugend anerkannt hat. Aus der Perspektive des Evangeliums dient es der Würde des Menschen, ihn vor dem Missbrauch personenbezogener Informationen über ihn zu schützen. Das bedingt kein absolutes Verbot eines Wissens über Personen, wie jede freie Kommunikation es voraussetzt und erzeugt. Das setzt auch nicht ein absolutes „Vergessen“ an die Stelle eines Erinnerns, das erst für Vergebung und Neuanfang Raum schafft. Es verlangt stattdessen, Öffentliches und Privates in ein lebensdienliches Verhältnis zu setzen.
Lesen und diskutieren Sie weiter in Baustein VI. Der Datensammlung und Auswertung müssen Grenzen gesetzt werden.