Treue zu Gott statt Phrasen der FDJ

Mitglieder der Jungen Gemeinde in Jena-Stadtmitte bei einer Friedensaktion (1983)
Foto: epd-bild / Matthias-Domaschk/Bernd Albrecht
Sie trauten sich, öffentlich gegen das Wettrüsten zu protestieren: Mitglieder der Jungen Gemeinde in Jena-Stadtmitte bei einer Friedensaktion (1983)
Treue zu Gott statt Phrasen der FDJ
Junge Christen in der DDR hatten es schwerer als ihre Geschwister in Westdeutschland. Doch während CVJMer im Westen "frisch fromm fröhlich frei" ihren Glauben lebten, konnten die Mitglieder der "Jungen Gemeinde" im Osten an ihrem mutigen Widerstand gegen den Staat auch persönlich wachsen. Der "Landesjugendwart" von Sachsen, Albrecht Kaul, erinnert sich.
18.10.2014
Albrecht Kaul

Meine erste Begegnung mit staatlicher Willkür gegen christliche Jugendarbeit machte ich 1958, als ein Jugendlager der "Jungen Gemeinde" von der Polizei gewaltsam aufgelöst wurde. Was hier zu dieser Rüstzeit geschieht, sei verdummend und rückständig und nicht förderlich für den Aufbau der sozialistischen Gesellschaft.

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Es gebe nur eine Jugendarbeit und die geschehe unter der Führung der FDJ, der Freien Deutschen Jugend. Dennoch entwickelte sich die Junge Gemeinde zu einer Bewegung, die in jedem Dorf und jeder Stadtgemeinde Jugendliche zu wöchentlichen Treffs sammelte.

Auch für mich waren diese Treffs Horizonterweiterung und die Möglichkeit, meine eigentlichen Fragen zu stellen. Ich erlebte verbindliches Christsein in einer Gemeinschaft, die sich der allgemeinen Ideologisierung entgegenstellte. Dort arbeitete ich bald ehrenamtlich mit, entdeckte meine Gaben und konnte dem allgegenwärtigen Atheismus etwas entgegensetzen. Schließlich wechselte ich vom Maschinenschlosser zum Diakon in der Jugendarbeit, machte also mein "Hobby" zum Beruf. Ausgebildet im Diakonenhaus in Moritzburg wurde ich bald "Jugendwart" im Kirchenkreis Zwickau, später "Landeswart" für ganz Sachsen.

Ordnungsstrafen zahlte die Landeskirche

Wir hatten keine Probleme, unsere Veranstaltungen zu füllen, die Jugendlichen kamen, weil die Themen ihre Themen waren, die Songs zu Gitarre oder Band ihre Situation trafen und die Atmosphäre nicht den sonst üblichen Druck und die phrasenhaften Inhalte hatten, die durch Schule, FDJ-Versammlung, Zeitung und Fernsehen zu ihrem Alltag gehörten. Doch uns war in der kirchlichen Arbeit nur erlaubt, die Mitglieder der Kirche anzusprechen. Jegliche Einladung an Klassenkameraden oder nichtchristliche Freunde war verboten. Eine Druckerlaubnis für einen Jugendgottesdienst oder gar eine Evangelisation war undenkbar.

Eine der "verbotenen" Einladungen

Dennoch haben wir uns mit primitivsten Mitteln geholfen, Einladeerinnerungen an "unsere" Jugendlichen herzustellen. Eine handgefertigte Einladung per Linolschnitt für einen Jungscharnachmittag kam in "falsche Hände", weil ein Kind diese mit in die Schule genommen hatte. Ich bekam eine "Vorladung zur Klärung eines Sachverhaltes" beim Rat der Stadt, Abteilung Inneres. Mir wurde illegale Drucktätigkeit zu religiösen Zwecken vorgeworfen. Den Druckstock musste ich abgeben und die ganze Aktion endete mit einem Ordnungsstrafverfahren über 150,75 Mark der DDR.

Für eine Jugendevangelisation haben wir dann mit kleinen länglichen Fotokarten eingeladen – natürlich wollten wir gerade bei Evangelisationen auch Jugendliche erreichen, die bisher keinen Kontakt zum christlichen Glauben hatten. Auch der Verteilung dieser Fotostreifen folgte eine Vorladung zur Klärung eines Sachverhaltes. Wegen unerlaubter religiöser Werbung waren 350 Mark Ordnungsstrafe fällig und die gesamte Fotoausrüstung, mit der diese hinterhältige staatsfeindliche Aktion durchgeführt worden war, wurde konfisziert. Weitere Ordnungsstrafen bis zu 750 Mark handelte ich mir ein, weil wir unsere Rüstzeiten trotz der Verbote so durchführten, wie wir sie wollten. Glücklicherweise war es üblich, dass wir die Ordnungsstrafbescheide nicht bezahlten, sondern an das Landeskirchenamt weiterleiteten. Es gab aber auch Fälle, wo die staatliche Willkür die Strafe vom privaten Konto der Mitarbeiter einfach abgebucht hat.

Geradlinigkeit zählte mehr als Karriere

Wir waren als Angestellte der Kirche irgendwie geschützt. Nur bei schweren Vergehen gegen die Allmacht der führenden Partei kam es zu Verhaftungen. Schutzlos waren dagegen die jungen Christen und die christlichen Eltern dem Druck des Staates ausgesetzt. Nur wer dem Staat durch Jugendweihe, FDJ, gesellschaftliche Mitarbeit und Militärdienst seine Unterwürfigkeit zeigte, hatte eine Chance auf höhere Ausbildung und Kariere. Für viele Jugendliche war dies der Punkt, ihre Treue zu Gott höher zu stellen als die Lippenbekenntnisse zu einem verlogenen Staat. Diesem Land sind vor 1961 (Mauerbau) Hunderttausende intelligente Jugendliche verloren gegangen. Und nachdem die Flucht in den Westen nicht mehr möglich war, sind diese Kräfte der ganzen Gesellschaft vorenthalten worden.

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Manche begabte junge Frauen wären gute Ärztinnen geworden, aber sie hatten es nur über die Ausbildung in einem christlichen Krankenhaus überhaupt geschafft, wenigstens Krankenschwestern zu werden. Manche hochbegabte Schüler hätten Wissenschaftler werden können, aber durch fehlendes gesellschaftliches Engagement sind sie über einfache Berufe nicht hinausgekommen. Erstaunlich für mich ist, dass viele dieser verhinderten Führungskräfte ihren Lebensweg nicht bereuen. Für manche hatte ein einfaches Leben, in dem sie sich nicht verbiegen mussten, eine höhere Qualität, als Mitglied der Partei mit allen Privilegien gewesen zu sein.

Beratung für Kriegsdienstverweigerer wurde Schwerpunkt

Ein besonderer Schwerpunkt war die Militarisierung der Volksbildung. Otto Grotewohl, Ministerpräsident der ersten Stunde, hat noch gesagt, dass jedem Deutschen, der jemals wieder ein Gewehr anfasst, die Hände abfaulen sollen. Doch nach der zunehmenden Konfrontation der Weltmachtblöcke von West und Ost an der innerdeutschen Grenze wurde die Volksarmee gegründet.

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Es kam der Slogan auf: "Der Frieden muss bewaffnet sein." Damit kamen junge Christen zunehmend in Schwierigkeiten. Sozialer Zivildienst war nicht möglich. Das einzige, was die Kirchen mit zähen Verhandlungen erreicht hatten, war ein waffenloser Dienst innerhalb der Armee, die sogenannten Bausoldaten.

Die Beratung von jungen Männern, die nicht in einen Bruderkrieg Ost/West hineingezogen werden wollten, wurde nun zu einem Schwerpunkt der christlichen Jugendarbeit. Aber auch für Schüler kam es härter, denn ab den 80er Jahren wurde Wehrkunde als reguläres Unterrichtsfach eingeführt und die Wehrlager mit militärischer Ausbildung wurden Pflicht. Doch auch hier gab es mutige Eltern und Jugendliche, die sich dieser Militarisierung widersetzten und Repressalien mit schlechten Benotungen und Diskriminierung in Kauf nahmen.

Am Schluss hatte die DDR 1,2 Millionen Menschen in den verschiedensten Einheiten unter Waffen. Dass gerade dieser waffenstrotzende Staat durch Kerzen und Gebete in die Knie ging, bleibt ein weltgeschichtlich einmaliges Wunder.