Kirchen-Fusionen: Der Weg in die Zukunft?

Weg auf einen Hügel mit zwei Bäumen
Foto: photocase
Kirchen-Fusionen: Der Weg in die Zukunft?
Reform muss sein. Spätestens seit dem EKD-Papier "Kirche der Freiheit" (2006) steht die Veränderung von Strukturen in allen Landeskirchen auf der Agenda. Fusionen und Kooperationen von Gemeinden werden landauf, landab als Allheilmittel gereicht. Wie geht es denen damit, die vor Ort die Zielvorgaben umsetzen müssen? Beim Pfarrerinnen- und Pfarrertag in Worms war "Die Dauerreform in der Kirche" Thema einer Arbeitsgruppe.

Gut 60 Theologinnen und Theologen, von der Küste bis zum Alpenrand, tauschen ihre Erfahrungen aus und schildern ihre Gefühlslage. Die ist – wenig überraschend – überall recht ähnlich: Meist handele es sich bei den Strukturreformen um unüberschaubare Prozesse, von außen verordnet. Manche Gemeinde würde regelrecht vernichtet, die Kirche entferne sich von den Menschen. So der vorherrschende Tenor in Worms.

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"Kaum hat man etwas Neues aufgebaut, kommt die nächste Sparrunde. Das ist auf Dauer nicht auszuhalten!" So macht ein inzwischen pensionierter Hamburger Pfarrer seinem Ärger Luft. "Die Ehrenamtlichen gehen weg, die Hauptamtlichen werden krank." Jede fünfte Pfarrperson leidet inzwischen an Burnout. "Es geht nur noch um Geld- und Machtfragen - Theologie und Inhalte gehen flöten." Positive Stimmen wie die von Matthias Fritsch aus dem hessischen Friedberg, bleiben die Ausnahme. Zentrale Verwaltungen könnten den einzelnen Gemeindepfarrer auch entlasten, sagt er, Profilstellen brächten neue Inhalte und Chancen.

Die Bildung des neuen Stadtdekanats in Frankfurt am Main hat Ursula Schön miterlebt und -gestaltet. Sie berichtet von einem jahrelangen Prozess "mit tiefen Enttäuschungen", der schließlich noch einmal völlig neu begonnen wurde. "Es sollte von innen heraus passieren, in der Überzeugung: Das ist für uns wichtig und bringt uns näher zusammen." Das Neue sie Stück für Stück entstanden – "wie ein Rohbau, den man langsam ausfüllt". Das funktioniere nicht ohne eine klare Zielvorstellung: "Welchen Auftrag müssen wir vor Ort erfüllen und wie können wir unsere Kräfte dafür bündeln?"

Man müsse ein Ziel vor Augen haben, findet auch Corinna Hektor. "Man muss aber auch überprüfen, ob die Vorstellungen realistisch sind." Die langjährige Augsburger Gemeindepfarrerin hatte in ihrer Stadt ebenfalls mit einem Großdekanat zu tun. "Es ging vor allem darum, Doppelstrukturen abzubauen", berichtet sie. "Nun haben wir eine schlanke Struktur – doch die Arbeit ist natürlich nicht weniger geworden." Sie müsse eben nur von weniger Menschen erledigt werden. "Der Aufwand ist gigantisch – man findet kaum noch Leute, die in die Gremien gehen wollen."

"Fusionen sparen nichts"

Die Kirche ziehe sich aus der Fläche zurück – diese Tendenz beobachten viele der Theologinnen und Theologen und sie erfüllt sie mit Sorge. "Der Pfarrer vor Ort ist der entscheidende Punkt für die Menschen", sagt Bernd-Ullrich Stock aus Thüringen. Die aktuelle Mitgliederuntersuchung verdeutliche dies erneut, "also sollten wir bitteschön auch in der Gemeinde arbeiten." Sein Mainzer Kollege Ernst Fellechner springt ihm bei: "Die Post macht ihre Filialen dicht – das dürfen wir nicht nachmachen."

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Fusionen seien keineswegs das Allheilmittel auf dem Weg in die Zukunft. "Ihr Sinn hat sich mir bis heute nicht erschlossen", bekennt Fritz Delp aus Worms. "Wir laufen da einfach einer gesellschaftlichen Entwicklung hinterher." Ein Hauptargument fürs Zusammenlegen, den Einspareffekt, stellen die Pfarrer ohnehin in Frage. "Das ist eine Milchmädchenrechnung", sagt Werner Böck aus Frankfurt. "Fusionen sparen nichts."

Gibt es Alternativen, Möglichkeiten, trotz schwindender Ressourcen dem Seelsorgeauftrag nachzukommen – nah am Menschen, zeitgemäß? Ernst Fellechner schlägt eine Kombination aus Spezialisierung und Vernetzung vor. "Schließlich kann nicht jeder alles gleich gut – und es muss auch nicht jeder alles machen." So könne sich ein begabter Prediger auch in mehreren Kirchen hören lassen, die eine Gemeinde einen Schwerpunkt auf die Kirchenmusik, eine andere auf die Jugendarbeit legen. Angebote, die in die Region ausstrahlen – "aber im wesentlichen auf freiwilliger Basis", betont Fellechner. "Da ist noch längst nicht alles ausgereizt", ist er überzeugt. "Wenn wir uns in Strukturreformen verzetteln, marginalisieren wir uns selbst."